Fundstücke Putzmacherei und Putzmacherin

Bitte an eine französische Putzmacherin – ein Gedicht von 1789

Das „Journal des Luxus und der Moden“ des Verlegers Friedrich Justin Bertuch (1747-1822) ist sicherlich eine der berühmtesten und wichtigsten Modeveröffentlichungen des 19. Jahrhundert. Das „Journal“ erschien von 1787 – 1827. In einer wahrhaft gigantischen Anstrengung wurde es im Rahmen eines Forschungsprojektes digitalisiert und analysiert.

Dank dieser Aufbereitung wurde ich bei meiner Suche nach Informationen über die Putzmacherei und die Putzmacherinnen fündig. Im 4. Jahrgang 1789 findet sich im Heft 5 (Mai) folgendes Gedicht:

Bitte an eine französische Putzmacherin (1), aus „Journal des Luxus und der Moden“, Heft 5 / Mai 1789
Bitte an eine französische Putzmacherin (2), aus „Journal des Luxus und der Moden“, Heft 5 / Mai 1789

Hier nochmal der Text in digitaler Form:

Bitte an eine französische Putzmacherin

Einst der Natur folgsame Schülerin
Wirst, Iris, Du nun ihre Lehrerin!
Mit Recht! Nur Menschen bildet sie
Und Du? O Du verschönerst die.
Was die Natur im Schlaf vielleicht vergißt
Ergänzet Deine Kunst. Wie oft vermißt
Man nicht an ihr bald dies, bald das?
Bald Colorit, bald Ebenmas?
Bald ist die Stirn zu groß und bald zu klein
Der Hals sollt länger dort, hier kürzer seyn,
Der Wuchs ist steif, die Schulter schwer,
Die Brust von Liebesgöttern leer:
Du besserst all dies aus mit Feenhand!
Ein Spitzchen nur, ein Drath, ein fliegend Band;
O welche Wunder wirken sie!
Mehr als Cytherens Gürtel nie!
Wie Phydias rufst Du aus rohen Klos
Ein lebend Bild, selbst Jupiters Genoß.
Wie kömmts? Es kömmt von Deiner Schöpferkraft
Die aus dem Nichts die schöne Bildung schaft
Wie manches Kind dankts Dir allein,
Wenn wir ihm unsern Weyrauch streun!
O lehre mich, allmächtige Zauberin,
doch meiner Fanny rohen Sinn
Nach Kunst zu schmücken wonniglich,
Die Seelen-Putzkunst lehre mich,
Und dann soll Deine Kunst der Stein
Der Weisen mir für immer seyn.

Der Text ist voller klassischer mythologischer Anspielungen, die der gebildeten Leserin (auch heute noch?) bekannt sein dürften. Die zeitgenössischen Feinheiten und Anspielungen des Textes werden uns allerdings vermutlich verschlossen bleiben. Wer ist die – offensichtlich seelisch verschönerungsbedürftige – Fanny? Wer war die Putzmacherin Iris? Indes ist auch für uns genug verständlich. Iris, die Zauberin, verschönert mit ihrer Kunst die Menschen in ihrer Unvollkommenheit. Ja, sie schafft es sogar, auch aus einem „rohen Klos“ noch etwas Schönes zu schaffen. Wenn diese Zauberei doch nur auch mit einer rohen Seele gelänge …

© Copyright Anno Stockem 2021

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2 thoughts on “Bitte an eine französische Putzmacherin – ein Gedicht von 1789

  1. lichten Kleidern, den neuen des Kaisers gleich
    winken von ferne die hehren Hexameter…

    Wunderbar!

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