Putzmacherei und Putzmacherin

Der Kopfputz der vier weiblichen Alter

Unter diesem schönen Titel erschien 1788 ein Artikel in „Pandora. Kalender des Luxus und der Moden“. Wahrscheinlich hat ihn Friedrich Justin Bertuch selbst geschrieben; Der Artikel ist „d.H.“ signiert, also wohl „der Herausgeber“. Bertuch war ja in vielen Metiers zu Hause, als Übersetzer, Schriftsteller, Verleger, Unternehmer (u.a. als Produzent von künstlichen Blumen), usw.

Der Text ist sehr aufschlussreich für die Geschichte der Putzmacherei, wird doch hier eindeutig geklärt, welche Rolle der Kopfputz in jeder Altersstufe hat. Hüte kommen zwar vor, nicht aber im Abschnitt „Frau“; hier ist der Kopfputz eine geschmackvolle Coeffüre. Wichtig in jedem Fall ist der gute Geschmack – wo auch immer er denn herkommen sollte.

Ich finde den Text lesenswert und habe ihn hier einmal in besser lesbaren Fließtext übertragen, wobei die ursprügliche Schreibweise beibehalten wurde. Die vier Tafeln, die ursprünglich vorne im Buch waren, habe ich auch im Text noch einmal eingeordnet.

Die „Pandora“ erschien im Übrigen nur drei Jahre, von 1787-1789. „Der Name dieses Kalenders bezog sich auf die ältere Gepflogenheit, von Paris aus Puppen an die wichtigsten Höfe Europas zu schicken, die nach den neuesten Pariser Moden gekleidet waren. Die große Pandora präsentierte Hoftracht und große Robe, die kleine Pandora führte intimere Privatkleidung (Deshabillé oder Demi-Negligé) vor.“ (aus: Zika, Anna: Ist alles eitel? Zur Kulturgeschichte deutschsprachiger Modejournale zwischen Aufklärung und Zerstreuung 1750-1950. Weimar 2006, S. 33).

Bertuch verlegte seit außerdem das im Vergleich sehr lang laufende „Journal des Luxus und der Moden“, das von 1786-1827 erschien.

Kopfputz

„Der Kopf war von jeher, bey allen Völkern der Erde, dasjenige Glied des Leibes, das man am sorgfältigsten und mannigfaltigsten zu putzen suchte; und ist es noch. Der nackte Brasilianer bindet sich eine bunte Feder-Binde um die krausen Haare; die Otaheiterin umwickelt sich den Kopf mit hundert Ellen feinen Haarflechten, und steckt Blüthen von weißen Kapjasmin hinein; der rohe Neu Seeländer äzt und mahlt sich das Gesicht, steckt Büschel von weißen Abatroßen-Federn in die Ohren und Muscheln in die Haare; die Jakutin stickt sich Stirnbinden und Zopfbänder von bunten Glas Korallen, und die Europäerin frisiert sich à l’herisson, und setzt alle drey Naturreiche in Contribution zu ihrem Kopfputze. Ueberal Ein Geist, einerley Liebe, einerley Hang den Kopf zu schmücken und dadurch zu gefallen oder sich auszuzeichnen. Jenes ist gewöhnlich bey dem weiblichen, und dieses beym männlichen die Hauptquelle dieses Hanges.

Für einen philosophischen Beobachter der Menschen-Sitten ist es interessant zu bemercken, wie, je höher eine Nation in der Cultur und Verfeinerung ihrer Sitten und Gebräuche stieg, je komponirter und unnatürlicher auch der weibliche Kopfputz wurde. Welch eine ungeheure Reihe von Moden in Farbe und Formen hat nicht allein das Haar der Damen von der schönen Aspasia in Athen an, bis auf unsern Tag gehabt? Die alten Deutschen z. E. liebten röthlichte oder gelbe Haare vorzüglich, und unsere koketten Ur-Urältermütter, die unglücklicherweise mit kastanienbraunem Haar von der Natur gestraft waren, brauchten eine gewiße Seife, es zu bleichen, die die üppigen Römerinnen häufig nach Rom kommen ließen, um sich gleiches Haar damit zu machen, weil agtsteingelbes Haar durchaus in Rom Mode war. Nero war nemlich in die gelben agtsteinfarbnen Haare der schönen Poppea unsterblich verliebt. Er besang diese Haare in elenden Versen, und auf der Zither: er kämmte sie mit goldnen Kämmen, zählte sie, und gab jedem Häärchen seinen eignen Nahmen. Die ausgefallnen ließ er in Gold mit Edelsteinen fassen, und weyhte sie der Juno. Nun waren agtsteinfarbe Haare in Rom herrschende Mode; jede galante Römerin wollte welche haben; und so mußte sogar das teutsche blonde Haar häufig, als ein guter Modewaaren-Artikel, nach Rom wandern, um die Köpfe sowohl der Weiber als auch der Männer zu schmücken. So hoch im Werthe war also das gelbe und röthliche Haar weyland unserer schönen Landsmänninnen, deßen sich seitdem so manches teutsche Mädchen geschämt, und dabey nach braunen Locken geseufzt hat. Doch wer weiß, ob nicht das große Rad der Mode bald wieder auf eben dieß Fleck zu stehen kommt? Wir brauchen ja schon wieder blonden und gelben Puder.

In Europa ist der weibliche Kopfputz zugleich ein wesentliches Unterscheidungs-Zeichen der Stände und Alter. Seine Form hat eine gewiße conventionelle Charakteristik für Kind, Mädchen, Frau und Matrone, die zwar eine Menge Varietäten zuläßt, jedoch in allen sichtbar bleiben, und auf gewiße Art beobachtet werden muß, wenn man nicht gegen den allgemeinen Gebrauch angehen, und sich lächerlich auszeichnen, oder Mangel an gutem Geschmacke verrathen will. Wir wollen versuchen, diesen Satz durch beygefügte Figuren und Formen des weiblichen Kopfputzes, welche dermalen die neueste Mode und Etikette der Welt vom bon-ton für die vier weiblichen Alter bestimmt, anschaulich zu machen.

1. Kind

Der lieblichste und zugleich natürlichste Putz eines Kinderkopfes ist sein eignes kurzes natürlich oder künstlich krauses und lockigtes Haar; es kann leicht gekämmt und verschnitten werden, verräth keine Prätension, die ohnedieß ein Kind nicht haben kann, und umschattet den lieblichen Kindskopf mit der eignen gefälligen Grazie, die ihm die Natur (wenn er ihr im Ausformen nicht verunglückte) ohnedieß gegeben hat. Wird das Kind größer, etwa 12 Jahr alt, da es sich dem Alter des Mädchens nähert, und man ihm die Haare wachsen läßt, so hält ein breites seidnes Band, geschmackvoll um den Kopf gebunden, und an der Seite in eine Schleife geschlungen, sie in Ordnung und ist zugleich Putz. Ein simpler prunkloser Huth, der für der Sonne schützt, dient ihm, so wie dem Knaben, beym Ausgehen. Eine natürlich schöne und gut erhaltene Form der Haare, und ein simpler runder Stroh- oder Filzhut, ist also Kopfputz des Kindes, und seine Charakteristik. Alle anderen Coeffüren, die man einem Kinderkopfe aufsetzen oder ankleben wollte, sind lächerlich und geschmacklos.

2. Mädchen oder Jungfrau

Diese zweyte Stufe des weiblichen Alters geht bey uns gewöhnlich mit dem vierzehnten Jahre an. Dies Gränzlinie können wir nich bestimmen; die folgenden, worüber von jeher so viele Gränzstreitigkeiten vorfielen, und immer fortdauern werden, wagen wir nicht zu ziehen. Genug das aufblühende Mädchen tritt in den Rosenmond ihres Lebens; die Natur hat jeden ihrer weiblichen Reize aufs schönste entwickelt, sie für ihre künftige Bestimmung vollkommen zur Reife gebracht, ihr Herz hat Gefühl und Sympathie, und ihr Auge Seele erhalten; die Natur will, sie soll gefallen und reizen, und dadurch ihrem Zwecke entgegengehn, und dem Mann, der ihrer Liebe werth ist, auf mannigfaltige Art beglücken. In dieser schönen Periode des Lebens ist ihr auch der lebhafteste und brillanteste Kopfputz erlaubt. Bloßes Haar in reiche Locken geschlagen, mit Blumen und Perlen durchflochten, oder mit Flor, Bandschleifen und Schwungfedern bedeckt, kurz eine Coeffüre, wie sie ihre Phantasie und guter Geschmack sich selbst schaft, ist ihr Kopfputz. Hat sie selbst nicht Auge und Geschmack genug, zu sehen, welche Coeffüre sie kleidet und ihr Grazie giebt, oder nicht, so ists ein gefährlich Ding um das Selbsterfinden neuer Formen; und sicherer, schon gefallende klug nachzuahmen.

3. Frau

Diese Periode des weiblichen Alters hat einen ziemlich weiten Umfang, und der Kopfputz einer jungen Frau nähert sich auch folglich mehr dem brillanten und komponierten des Mädchens, so wie der einer ältern dem bescheidneren und soliden einer Matrone. Im ganzen genommen aber ist sie, in Rücksicht auf den vollen Anzug (als wovon hier eigentlich die Rede ist; denn Hüte sind beyden Altern gemein) eigentlich die Zeit der Hauben; wärs auch nur um das alte Spruchwort, die Frau ist unter die Haube gekommen, nicht Lügen zu strafen. Wer kann die Formen und Nahmen der Hauben zählen, die Paris jährlich schafft? Unter allen wird eine schön geformte Toque von weißem Flor, Bande und Blumen, oder ein leichter Pouf, von weißen Flor mit einem farbigen Bande und Blumen, sie sey junge oder ältere Frau, und wenn sie bei beyden immer das Ausschweifende zu vermeiden sucht, ihren Kopfputz gewiß gefallen machen.

4. Matrone

Für den Kopfputz der Matrone oder älteren Frau, sonderlich in gewissen Classen, hat die jetzige Gewohnheit die tiefe Haube und die Dormeuse, ihrer einfachern, bescheidenern und solideren Form wegen, bestimmt, und Federn und bunte Blumen davon verbannt. Beyde erfordern zwar auch noch frisiertes Haar, aber weniger von modischer Form und Kunst. Alles was uns eine anschauliche Idee von Sauberkeit, Prunklosigkeit, und gesetztem Charakter geben kann, gefällt gewiß immer in dem Kopfputze einer alten Frau, und erweckt in uns das Gefühl der Hochachtung und Verehrung.

Dieß wären also einige hingeworfene Fingerzeige über die Charakteristik des Kopfputzes der vier weiblichen Alter. Vielleicht daß manche unsrer Leserinnen hierüber mit uns einstimmig ist, und uns ihren Beyfall schenkt.“

Bei der Beschäftigung mit dem Werk: „Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft“ von Johann Georg Krünitz habe ich übrigens festgestellt, dass er diesen Artikel wörtlich als offensichtlich wesentliche Quelle im Abschnitt „Kopf-Putz“ zitiert (Band 44, erschienen 1788, S. 124-127). Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Artikel in der „Pandora“ im selben Jahr erschienen ist wie die „Encyklopädie“!

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