Putzmacherei und Putzmacherin

Die Putzmacherin, oder: Sieg der Tugend

Von Christian Felix Weiße wissen wir, dass er Kreis-Steuer-Einnehmer zu Leipzig war. So jedenfalls ist seine Berufsbezeichnung im Band 8 von „Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller“, 5. Auflage 1800, S. 416-419.

Nach der Menge der dort aufgeführten Veröffentlichungen zu urteilen war er nicht nur nur Beamter, sondern überdies ein außerordentlich produktiver Autor. Der aktuelle Wikipedia-Eintrag gibt weiteren Aufschluss über Christian Felix Weiße. Demnach lebte er von 1726 bis 1804 und wird als Begründer der deutschen Kinder- und Jugendliteratur angesehen.

Porträt von Christian Felix Weiße
Porträt von Christian Felix Weiße

Auch die Putzmacherinnen haben ihn offensichtlich literarisch interessiert. Erstmals im dritten Bändchen der von Wilhelm Gottlieb Becker herausgegebenen „Erholungen“ erschien 1796 seine Erzählung „Die Putzmacherin, oder Sieg der Tugend über Vorurtheile“. Sieg der Tugend, das war immer wieder ein großes Thema, das Ringen zwischen gut und böse, liederlich und ehrbar. Was erwartet uns diesmal bei der Lektüre?

Titelseite der Erzählung "Die Putzmacherin: Sieg der Tugend" von Christian Felix Weiße
Titelseite der Erzählung „Die Putzmacherin: Sieg der Tugend“ von Christian Felix Weiße

Die Geschichte erweist sich als ein mehr oder weniger kompliziertes Herz-Schmerz-Drama. Es treten auf ein wohlhabender junger Mann, eine tugendhafte arme Putzmacherin, ihre Mutter, ein zynischer Kammerdiener usw. Der junge Mann verliebt sich in die Putzmacherin, die aber seinem Werben nicht nachgeben mag; die Mutter versucht sich vergeblich als Kupplerin; der Kammerdiener inszeniert ein Komplott, das die junge Putzmacherin verängstigt in die Arme des jungen Mannes treiben soll; usw. Am Ende stirbt der junge Mann und setzt die Angebetete als Erbin seiner Güter ein. Insgesamt ein heute kaum mehr lesbares Opusculum, um nicht das Wort „Schmonzette“ zu benutzen..

Auch hier wird wieder das Klischee der ehrbaren, verarmten, aber tugendhaften Putzmacherin aufgegriffen. Weitere Beispiele finden sich in der Literaturliste unten. Der reale Hintergrund ist bedrückend genug. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es aufgrund des Bevölkerungswachstums ein Überangebot an Arbeitskräften, so dass Arbeit extrem billig angeboten wurde. Es musste entsprechend extrem viel gearbeitet werden, um überhaupt überleben zu können. In dieser Situation blieben – insbesodere in Konstellationen ohne einen „Ernährer“ – für die Putzmacherinnen im Prinzip nur die völlige Verarmung und / oder die zusätzliche Prostitution. Damit stand „arm und tugendhaft“ gegen „auskömmlich und unehrenhaft“. Eine Heirat war natürlich die allerbeste Lösung dieses Konfliktes, weil so ein „Ernährer“ eingebunden wurde, ein Mann, der seine Arbeitskraft relativ gesehen teurer verkaufen und damit auch Frau und Kinder ernähren konnte.

In der Erzählung von Weiße steht die Mutter als Kupplerin exemplarisch für den Versuch, die wirtschaftliche Situation der Tochter zu sichern (wohl nicht ohne Eigennutz); der intrigante Kammerdiener ist die Verkörperung des Zynismus, mit dem die bessere Gesellschaft Armut ausnutzte. Dazwischen nun – die beiden Hauptfiguren mit all ihren Nöten …

Ganz selbstverständlich wurde hier die Putzmacherin auch nicht als Verfertigerin weiblicher Hüte oder weiblichen Putzes engagiert wird, sondern als feine Näherin, die Hemden verfertigen soll. Dazu finden in Pierer’s Lexikon 1857 auch den entsprechenden Eintrag:

Putzmacherin: „Putzmacherin, weibliche Person, welche bes. Kopfputz u.a. Galanteriearbeiten für Frauenzimmer u. feines Weißzeug verfertigt.“

Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit (1857), Band 13, S. 711

Dieses weite Verständnis der Tätigkeit einer Putzmacherin findet sich ja ausführlich in den Briefen Wagners an seine Putzmacherin. Die Wünsche von Richard Wagner an Bertha Goldwag habe ich bereits in einem eigenen Artikel aufgegriffen.

Die Gestaltung speziell und ausschließlich von Frauenhüten war eine relativ späte Verengung des ursprünglichen Tätigkeitsbereiches der Putzmacherin, der sich auch aus der Entwicklung der sonstigen Kleidung ergab. „Putz“ war Ende des 19. Jahrhunderts oft schon Bestandteil der Damenbekleidung, und die Herstellung von Wäsche erfolgte fast vollständg durch die Konfektionsbetriebe. Der modische Damenhut erforderte allerdings auch genug Aufmerksamkeit, um eine solche Spezialisierung zu rechtfertigen.

Literarische Bearbeitungen der Putzmacherei:

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