Thorsten Bolte, Mitarbeiter im Göschenhaus Grimma, hat umfassend über Johanna Henriette Göschen (1765-1850) geschrieben, die auch ein Stück über Mode und Putz verfasst hat.

Im Göschenhaus-Journal 3/4 2015 schreibt Bolte ausführlich über ihr Leben, das anstrengend und herausfordernd gewesen sein muss. Es ist besonders beeindruckend, dass sie darüber hinaus auch selbst noch literarisch tätig war. Über ihren Dialog „Mode und Putz“ äußerte sich sogar der seinerzeit berühmte Autor Christoph Martin Wieland lobend.

Erschienen ist der Text in einem der vielen verlegerischen Projekte von (Georg Joachim) Göschen, namentlich dem „Journal für Deutsche Frauen, von Deutschen Frauen geschrieben“. Es existierte allerdings nur zwei Jahre von 1805-1806, wurde aber von berühmten – ja, Männern! – herausgegeben, Wieland, Schiller, Rochlitz und Seume. Die nicht alphabetische Reihenfolge dürfte hier die Bekanntheit der Autoren widerspiegeln. Rochlitz setzte ab 1807 die Zeitschrift unter dem Namen „Selene“ fort.


Im „Journal des Luxus und der Moden“, dem von Johann Bertuch gegründeten ersten deutschen Modejournal, findet sich im Mai-Heft des Jahres 1805 eine schöne Rezension der ersten drei Hefte:
„Als eine willkommene Erscheinung begrüßen wir freundlich dieses neue Journal. icht nur führt es uns in den schönen Zirkel wahrhaft gebildeter Frauen, zu einer angenehmen Unterhaltung, es schließt uns auch mehr als jeder andere Zirkel ihr Inneres auf. Für Frauen und Mädchen Muster und Sporn zur Nacheiferung, wird es daher für den Mann selbst ein lehrreiches Studium, und dem g e s e l l i g e n Schriftsteller unentbehrlich. Lernt er hier nicht den Kulturgrad der Teutschen Frauen, die Lieblingsgegenstände ihrer Betrachtungen, ihre Art zu empfinden, zu denken und darzustellen d u r c h s i e s e l b s t kennen? und dies alles unter den Auspicien d i e s e r Herausgeber, deren vereinigte Namen an die vier Tageszeiten erinnern und uns zu sagen scheinen: Alle Tages- und Jahreszeiten sind gleich nothwendig!“
Der Artikel „Mode und Putz“ wird erläutert als „Erster Dialog zwischen mir und meinem Mann“. Es geht um nicht weniger als die Grundfragen von Mode, ihrer Eigenständigkeit, ihres Nutzens, ihrer Kosten, und wenig überraschend vertritt die Erzählerin das Pro und der Ehemann das Contra, beides allerdings in gemäßigter Form.

Zunächst wird festgestellt, dass Putz und Mode zusammenhängen – als Schwestern; der Wunsch nach Putz, so gibt ER zu, sei dem Menschen natürlich. Mode hingegen sei Nachäfferei. Eine neue Idee werde sogleich kopiert und als Mode ausgegeben, der alle dann sklavisch folgen würden. Die Mode wäre daher langweilig und einförmig. SIE argumentiert selbstredend dagegen, und widerspricht einem gestalterischen Wildwuchs, der nur um der Individualität wegen gewünscht sei, aber nicht zwangsläufig zu guten Ergebnissen führe. ER versteigt sich nun dahin, dass eine schöne Frau keines modischen Putzes bedürfe, und ansonsten es um die inneren Werte und den Charakter mehr gehe als um modische Bekleidung. ER versucht es nun mit der Analogie zum Dichter, der Charaktere (gemeint sind wohl Stereotype) nutzt, um sie dann in seinen eigenen Werken auszuformen. So solle frau auch mit der Mode umgehen. Daraufhin bittet SIE ihn, ihr doch einen Hut zu entwerfen, der ihrer Persönlichkeit entspricht; dazu, so ER, habe er leider nicht die nötige Begabung. Es folgt von ihm eine zitierwürdige Beschreibung des Putzes:
Ich will es mit dem Putz und der Kleidung versuchen, als mit dem Theil der Mode, der euch doch zunächst am Herzen liegt. Was soll der Putz? Nicht wahr, er soll die Schönheiten des Körpers in das vortheilhafteste Licht stellen, seine etwaigen Mängel geschickt verbergen, und, wo möglich, ihm noch neue Reize mehr geben?


Weiter führt ER aus, es gäbe eine vernünftige Mode, der zu folgen sei, im Gegensatz zur albernen Mode, die aus einem bloßen Nachmachen der französischen oder englischen Vorbilder bestehe. Da schimmert die Begeisterung für das Deutsche vor, das Nationale, das im Jahre 1805 unter der napoleonischen Besatzung ein sehr aktuelles Thema war. Fazit des Gesprächs: Mode ist schlecht, wenn sie nicht aus der eigenen Reflektion über das individuell Passende ensteht, und von albernen fremden Einflüssen frei bleibt.
Richtig gelernt haben wir aus diesem Gespräch nicht viel; es werden gemäßigte Haltungen vertreten, und für mich war das Besondere, das SIE den Ausführungen des Herrn Gemahl immer wieder ganz selbstbewusst auch mit Ironie begegnet. Den kompletten Text habe ich der besseren Lesbarkeit wegen einmal transkribiert, er ist hier (Mode und Putz) als pdf verfügbar.
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