Fundstücke Putzmacherei und Putzmacherin

Die Wünsche von Richard Wagner an Bertha Goldwag – eine Übersetzung

Was genau hat Richard Wagner eigentlich bei seiner Putzmacherin bestellt? Seine Briefe an Bertha Goldwag – auf die ich ja bereits bei der Erörterung ihrer Finanzen eingegangen bin – sind in der Beschreibung seiner Wünsche sehr präzise. Unter einem Haus- oder Schlafrock (siehe Abbildung unten) können sich auch heute noch die meisten Menschen etwas vorstellen. Wie aber ist es mit anderen Begriffen?

Karrikatur „Frou Frou Wagner“, veröffentlicht in „Der Floh“, 24 Juni 1877; Wagner im Hausrock / Schlafrock

Ich habe hier einige Fachtermini aufgelistet, die heute nicht mehr für alle (in Textilem weniger bewanderten) Menschen gut verständlich sind. Alle anderen – freuen sich gewiss über ihr gutes Fachwissen. Die Quelle füge ich unterhalb der Liste an.

  • Atlas
    „Atlas als Bezeichnung für Gewebe bezieht sich zunächst auf Seidenstoffe, die in Atlasbindung gewebt sind. Diese Begrenzung wird aber nicht mehr streng eingehalten, sondern auch aus anderen Materialien angefertigte Stoffe, die in Atlasbindung hergestellt sind, führen diesen Namen.“ (Glafey, S. 30)
  • Atlasband (wird hier noch einmal gesondert erklärt):
    „Ein Glanz- oder Halbseidenband mit Atlasbindung. Die Ausführung der Ränder (Salleisten) ist von besonderer Bedeutung, da sich Atlasbänder mit schwachen Rändern leicht einrollen. Minderwertige Atlasbänder werden auf der Rückseite stark appretiert (gummiert und kalandriert). Das meist begehrte Atlasband ist das ganzseidene und weiche Libertyband.“ (Glafey, S. 31)
  • Blonden, Blondenspitzen
    „Blonde, Klöppelspitze mit fortlaufendem Faden aus weißer und schwarzer (im 18. JH auch farbiger) Seide für Kleider- und Haubenbesatz, meist mit ausgeprägtem Figuren- oder Blumenmuster. Die Blonde ist erstmals 1678 in Frankreich als Modeartikel bezeugt und erlebte um 1820-70 einen Höhepunkt in Biedermeier und „Zweitem Rokoko“. Die Bezeichnung „Blonde“ stammt von der Naturfarbe des im 17. und 18. Jh. ungebleicht verarbeiteten Seidenfadens. Seit etwa 1830 werden Blonden auch aus Baumwolle maschinell imitiert“ (Loschek, S. 129-130).
  • Blousen-Jacke
    Gemeint ist wohl eine „Blusen-Jacke“; nur zu Bluse ist etwas relevantes zu finden:
    „Bluse (franz. blouse), ursprünglich einer aus de Bliaud hervorgegangenes Obergewand der Männer. Sie ward in einer der alten verwandten Form das Abzeichen des arbeitenden Standes und hat sich als solches bei den roman. Völkern, insbesondere bei den Franzosen, sowie am Rhein erhalten; „Blusenmänner“ für Vertreter des vierten Standes ward sprichwörtlich“ (Brockhaus, 3. Band, S. 117)
  • Florence / Marcelline
    „Florence ist ein Seidengewebe; manchmal wird es auch aus Seidenkette und Baumwollschuß angefertigt. Der Stoff ist in Leinwandbindung gewebt und wird als Futter verwendet.“ (Glafey, S. 279)
    „Marcellin, Marzellin, leichtes Seidenzeug, wohl nach der franz. Stadt St. Marcellin (Depart. Isère) genannt; auch soviel wie Doppeltaffet, ein glatt gewellter Seidenstoff, der in der Kette aus zweifädiger Organsin-, im Einschlag aus ein-, zwei- oder dreifädiger Tramaseide besteht“ (Brockhaus, Band 11, S. 569)
  • Guirlanden
    Es ist leider nicht festzustellen, ob Wagner – der hier den französischen Begriff benutzt – eine dekorative Girlande meint („Rosen-Guirlanden, 60 Ellen“) oder / und eine Verzierung in einem Stoff („Breites weißes mit Guirlanden“). Bertha Goldwag berichtet, dass sie selbst bei der Einrichtung der Wiener Wohnung Wagners Girlanden aufgehangen habe (Kusche, S. 30). Dabei dürfte es sich also definitiv um Dekoration gehandlet haben.
  • Hausrock
    Bei Loschek findet sich ein Eintrag zu Hauskleidung (S. 235-236):
    „… In höfischen Kreisen der 2. Hälfte des 17. und im 18. Jh. trug der Mann seidengefütterte Brokat-Hausmäntel im Schnitt eines Kaftans oder Kimonos (Englisch deshalb Indian gown) mit ostasiatischen Mustern … und Schalkragen bzw. angesetztem Kimonokragen. … Im 18. Jh war der Comfortmantel gesellschaftfähig, der mit dem englischen Banyan gleichzusetzen ist. Anliegende, vorn übereinandergeschlagene und seitlich zugebundene Hausmäntel waren oft aus watierter und abgesteckter Seide oder Baumwolle. … Für die bürgerliche Gesellschaft und vom 19. Jh. an allgemein war der Hausmantel einfacher.“
  • Moll („fein Moll“)
    Möglicherweise ist Mull gemeint: „Mull, ein sehr feinfädiges Leinwandgewebe as Baumwolle. Mull kommt in dreierlei Ausführungen vor; nämlich als Kleiderstoff, als Verbandstoff und als Vorhangstoff. Mull für Kleiderstoffe ist weich und ziemlich geschlossen, so wie Musselin. …“ (Glafey, S. 537).
    Denkbar auch, dass Wagner „Mollino“ meinte: „Ein Baumwollstoff in Leinwandbindung, aus mittelstarken Garnen angefertigt. Der Stoff kommt gebleicht vor, als Wäschestoff. Außerdem wird er auch gefärbt und bedruckt verwendet; er dient dann als Futterstoff und Kleiderstoff.“ (Glafey, S. 533)
  • Negligé-Jacke
    „Negligé des Herrn als Straßenkleidung nach etwa 1770: Frack, Gilet und runder Hut (Zylinder), als Hauskleidung: Hausmantel und Hauskappe anstelle der Perücke …“ (Loschek, S. 363)
  • Rosen, Peone-Rosen
    Hier ist nicht ganz klar, ob Wagner künstliche Blumen meint; irritierend jedenfalls, dass er in einem Brief als Maß „die Elle““ angibt. Künstliche Blumen wurden in großer Zahl aus Papier und Stoff (Seide) hergestellt. Die Blumenherstellung entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einer beachtlichen Industrie, in der auch sehr viele Heimarbeiterinnen beschäftigt wurden.
  • Rosenbouquet („Stiefel… in Rosenbouquet“)
    Hier ist wohl ein Stoff in Rosenmusterung gemeint. Wagner bestellt hier 6 Paar Stiefel in den Farben weiß, rosa, blau, gelb, grau und grün. Auch zu de Schuhen gibt es eine Äußerung von Bertha Goldwag: „Dass er zu den farbigen Kleidern auch ebensolche Hausschuhe haben wollte, ist ja selbstverständlich. Aber auch bei den Hausschuhen kam es darauf an, daß sie so schwer wie möglich gefüttert seien.“ (Kusche, S. 31)
  • Rüche (Gemeint ist wohl „Rüsche“)
    „Durch Einziehen, falten oder umbügeln gefältelter Stoffbesatz, der aus einem geraden Stoffstreifen geschnitten ist, im Unterschied zum rundgeschnittenen Streifen beim Volant“ (Loschek, S. 401)
  • Sachet („24 Sachets“)
    „Sachet (frz., …), Kräutersäckchen, besonders ein mit Riechstoffen gefülltes kleines Kissen (Riechkissen), zum Parfümieren der Wäschestücke u.dgl.“ (Brockhaus, Band 14, S. 131)
  • Schärpe („eine breite Schärpe“)
    „Schärpe, breiter Stoffstreifen, der zur Zierde meist um Taille und Hüften, als Würdezeichen von der rechten Schulter zur linken Hüfte geschlungen wird“ (Loschek, S. 406)
  • Schopp („zu jedere Seine noch eine halbe Elle breiter Schopp“, „geschoppte Einfassung“)
    Zu „geschoppt“ findet sich im Internet auf der Seite „DWDS“ folgendes Anwendungsbeispiel:
    „das blusig geschoppte (= leicht hochgeschobene, weich fallende) Oberteil eines Kleides“. Gemeint ist hier wohl eine Art Raffung des Stoffes.
  • Spitzengrund („von dem Seidenblonden-Spitzengrund“)
    Üblicher Weise versteht man unter einem Spitzengrund ein Gewebe, das bei der Spitzenherstellung als Grundstoff genutzt wird. Bei Pierer fand ich aber eine dritte Definition, die mir hier näher an der Sache zu sein scheint:
    „Spitzengrund, 1) bei Spitzen der einfache Grund, welcher das Muster enthält; 2) so v.w. Bobbinet; 3) kleine, zarte, von seinem weißen Zwirn über ein rundes Holz zusammengeschlungene u. ausgehakte Ringel, welche zur Verzierung des Weißzeuges gebraucht werden.“

Insgesamt lässt sich feststellen, dass – auch wenn viele der Begriffe im 19. Jh. zum üblichen textilen Wortschatz gehörten – Wagner wohl ein besonders kenntnisreicher und anspruchsvoller Kunde gewesen sein muss.

Verwendete Quellen:
Brockhaus`s Konversations-Lexikon. Neue revidierte Ausgabe. F. A. Brockhaus, Leipzig / Berlin / Wien. Hier: 3. Band von 1901, 11. Band von 1903, Band 14 von 1903
DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen am 02.03.2021
Glafey, Hugo, Hrsg.: Textil-Lexikon. Handwörterbuch der gesamten Textilkunde. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart / Berlin 1937
Kusche, Ludwig: Richard Wagner und die Putzmacherin. Heinrichshofen, Wilhelmshaven 1967.
Loschek, Ingrid: Rexlams Mode- und Kostümlexikon. 3. Auflage, Philipp Reclam jun., Stttgart 1994
Pierer’s Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 575

Das Bild in der Vorschau ist entnommen als screenshot von der Seite der „Library of Congress„, Washington: „https://blogs.loc.gov/music/2013/05/to-richard-wagner-on-his-200th-birthday-a-textilian-tale-retold/„.
Die Karrikatur ist derselben Seite entnommen mit der Untertitelung: „Caricature titled ‘Frou Frou Wagner’ published in Der Floh, on 24 June 1877, showing journalist Daniel Spitzer standing on a cache of letters pricking Wagner, who is in deep deliberation over bolts of silk and satin, with his poison pen; reproduced in John Grand-Carteret’s Richard Wagner en caricatures, Paris, 1892. From the collections of the Library of Congress Music Division.“ Daniel Spitzer hatte die Briefe Wagners erstmalig mit „spitzen“ Kommentaren veröffentlicht.

© Copyright Anno Stockem 2021

Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich gerne zum Newsletter von ansto.de an!

One thought on “Die Wünsche von Richard Wagner an Bertha Goldwag – eine Übersetzung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.