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Eine Zeitschrift im Modebild einer Zeitschrift 1896

Modebildes No. 13 aus "Die Elegante Mode" vom 1. Juni 1896
Modebildes No. 13 aus „Die Elegante Mode“ vom 1. Juni 1896

Das hübsche Modebild passt zum Sommer – ist doch das Ambiente ein Strand und Sommerfrische das Thema. Ob wir heute mit solcherart aufwändiger Bekleidung im Sommer unterwegs sein wollen, steht auf einem anderen Blatt. Während die Kinder spielen und Malen, sind drei der Damen offensichtlich dabei, Konversation zu betreiben. Die Vierte sitzt im Strandkorb (einem Modell, das wir heute auch nicht mehr kennen) und schaut versonnen. Vielleicht belauscht sie das Gespräch der anderen, vielleicht sinnt sie auch nach über eine Geschichte aus ihrer Zeitschrift: dem „Bazar“. Der Titel ist deutlich zu erkennen. Das wiederum erstaunt zunächst, weil das Bild selbst aus einer anderen Zeitschrift stammt: „Die Elegante Mode. Illustrirte Zeitung für Mode und Handarbeiten. No. 13 vom 1. Juni 1896“.

Detail des Modebildes No. 13 aus "Die Elegante Mode" vom 1. Juni 1896
Detail des Modebildes No. 13 aus „Die Elegante Mode“ vom 1. Juni 1896

Das Rätsel lässt sich aber leicht auflösen. Der „Bazar“ war das Hauptprodukt der nach ihm benannten „Bazar-Actien-Gesellschaft“, die im Rahmen ihrer Verlagstätigkeit weitere Zeitschriften herausgab. Barbara Krautwald hat in ihrer Dissertation „Bürgerliche Frauenbilder im 19. Jahrhundert. Die Zeitschrift „Der Bazar“ als Verhandlungsforum weiblichen Selbstverständnisses“ ausführlich über die Aktivitäten des „Bazar“ geschrieben, und ich beziehe mich u.a. auf ihre Forschungsergebnisse. Einen schönen Überblick gibt auch die Festgabe „Siebzig Jahre Deutsche Mode. Zur Geschichte einer deutschen Modezeitschrift“, die 1925 erschien.

Gegründet wurde der „Bazar“ bzw. sein Vorläufer 1854 von Louis Schaefer; später wurde er geadelt und nannte sich Ludwig von Schaeffer-Voit. Er verkaufte 1871 die Zeitschrift bzw. den Verlag, und es wurde die Bazar-Actien-Gesellschaft gründete. Schon früh wurden ausländische Ableger der Zeitschrift gegründet; teilweise handelt es sich um Übersetzungen, teils um Kooperationen, teils um landesspezifische Ausgaben, bei denen nur der Modeteil übernommen wurde:

  • La mode illustrée. Journal de la famille, seit 1860 erschienen in Kooperation mit dem französischen Verlag Didot
  • De Gracieuse. Geïlustreerde Aglaia, seit 1862 erschienene niederländische Ausgabe
  • Harper’s Bazaar. A Repository of Fashion, Pleasure and Instruction, erschienen seit 1867 im Verlag Harper & Brothers in New York mit teils eigenständigen Inhalten
  • Englishwoman’s Domestic Magazine, bestand seit 1852. Seit 1864 Kooperation mit dem „Bazar“
  • La moda elegante. Periodico de las familias, seit 1861 Kooperation mit dem „Bazar“
  • La Novità. Giornale delle moda e dei lavori femminili, erschien seit 1864 in Mailand
  • Bazar. Módní příloha ku Květům, die tschechische Ausgabe erschien seit 1869
  • Magyar Bazár. Mint a nők munkaköre , ungarische Ausgabe seit 1865
  • Griechische Ausgabe seit 1872
  • Polnische Ausgabe
  • Russiche Ausgabe

Als selbständige Zeitschriften wurden gegründet bzw. übernommen:

  • Die Biene. Journal für Toilette und Handarbeit, erschien 1866-1870
  • Pariser Modelle für die Selbstanfertigung der gesammten Damen-Garderobe, Leibwäsche und Kindergarderobe, kurz Pariser Modelle, erschien 1858-1871
  • Die illustrirte Coiffure. Modejournal für Putzgeschäfte, übernommen 1881
  • Deutsche Illustrirte Zeitung, 1887
  • Über Land und Meer, 1887
  • Die elegante Mode, seit 1890
  • Große Modenzeitung seit 1896

Warum der „Bazar“ also in Händen der elegischen Leserin in ihrem Strandkorb auftauchte, wird spätestens hier klar. Beide Zeitschriften kommen aus demselben Verlagshaus, und damit handelt es sich einfach um ein geschicktes „Product Placement“. Was sonst sollte frau zur Entspannung am Meer lesen als – den „Bazar“?

Geärgert haben dürfte den Verlag, dass die Titel „De Bazar“ (Niederlande) und „Budapesti Bazar“ (Ungarn) zur Konkurrenz gehörten, dem Verlag der „Modewelt“. Die „Modewelt“ wurde seit 1865 von Franz Lipperheide in Berlin verlegt; Lipperheide hatte seine ersten Jahre im „Bazar“ verbracht, dort seine künftige Frau kennengelernt und dann mit ihr gemeinsam eine eigene Zeitschrift gegründet, die außerordentlich erfolgreich war. 1910 verkaufte er seinen Verlag an die F. Bruckmann AG.

Aus Sicht der Putzmacherei ist natürlich besonders die Zeitschrift „Illustrirte Coiffure“ interessant, die aus dem Verlag A. Haack übernommen wurde. Haack hatte die Zeitschrift bereits 1878 gegründet. Wie lange die Zeitschrift existierte, konnte ich leider nicht feststellen. Parallel dazu gab es noch die Zeitschrift „Coiffure“, die 1867 gegründet wurde und nachher in die Zeitschrift „Der Putztisch“ überging. Die „Bazar-AG“ bat höflichst darum, hier zu unterscheiden:

„Verwechslungen mit S. Cronbach’s „Coiffüre“ wolle man gütigst vermeiden“. (Aus: „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“, Nr. 49, vom 01. März 1881)

Zum „Putztisch“ aber an anderer Stelle mehr.

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