Die Putzfibel – Das Buch der Warenkunde für Putzmacherinnen erschien zwischen 1936 und 1952 in 5 Auflagen. Eine 6. Auflage unter dem Titel „Die Hutfibel“ erschien 1966. Die Autorin – Rose Windorf, später Müller-Windorf – entwickelt damit ihr 1930 erschienenes „Lehrbuch für Putzfachkunde“ weiter und hat so mehrere Generationen von Putzmacherinnen unterrichtet. In der ersten Auflage zeichnet sie als „Fachschulreferentin im Reichsinnungsverband des Putzmacherhandwerks“. In dieser Funktion richtet sie den Stoff aus an der neuen Ausbildungsordnung im Putzmacherhandwerk, die offensichtlich auch zum Zeitpunkt der zweiten Auflage noch nicht abgeschlossen ist.
Gegliedert wird der Text nach den drei ersten Berufsjahren der Lehrlinge; den offiziellen „Berufsbildungsplan der Meisterlehre für Lehrlinge des Putzmacherhandwerks“ sowie einen „Vorschlag eines Berufsausbildungsplans der Berufsschule, einschl. praktischer Fachkunde für Lehrlinge des Putzmacherhandwerks“ fügt sie im Anhang der mir vorliegenden 2. Auflage an.
Besonders reizvoll sind in der Putzfibel die vielen Fotografien. Im Vorwort der ersten Auflage dankt sie – neben dem Reichsinnungsverband – insbesondere der Deutschen Arbeitsfront, „… die mir den Zutritt zu den Industrien erleichterte(n). Hierdurch war es mir möglich, die Arbeit ausschließlich mit Eigenaufnahmen aus den Erzeugungsvorgängen auszustatten“. Leider ist die Qualität der Abbildungen nicht immer gut, einige davon werden dennoch weiter unten angefügt.
Interessant ist, wie das politische Umfeld in der Putzfibel sichtbar wird. Auf dem Vorblatt wird – etwas kryptisch – appelliert: „Lerne was deutsch ist! Dann tu Dich um.“ Im Vorwort der ersten Auflage von 1936 heißt es dann:
„Man muß in die Aufgaben der Gegenwart mit dem Herzen hineingewachsen sein, um sie verstandesmäßig so lösen zu können, daß das Gesicht der Zeitwende Deutschlands darin aufleuchtet“.
Windorf, Rose: Die Putzfibel, Berlin 1939, S. 7
Im Geleitwort zur zweiten Auflage von 1939 findet sich dann der Begriff der „Berufskameradinnen“; Rose Windorf zeichnete als „Leiterin der fachlichen Bildungsanstalt des Putzmacherhandwerks. Dem Band ist ein Geleitwort von Paul Kauers (?) vorangestellt, dem „Reichsinnungsmeister des Putzmacherhandwerks“, mit dem markigen Motto:
„Lernen ist Wissen, Wissen ist Können, Können ist Tat“
In der gesamten 2. Auflage ist ansonsten nur ein deutliches politisches Zitat zu finden. Im Kapitel „Die Putzmacher-Spezialnähmaschine“ (!?) wird mit Bezug auf die Möglichkeit einer maschinellen Unterstützung im Putzmacherhandwerk der Führer zitiert.
„… Deshalb muss die Hilfskraft der Maschine kommen, sie fördert die Erreichung einer höheren Leistungsebene.
Der Führer hat dies einmal mit folgenden Worten ausgesprochen:
„Es muß unser Ziel sein, den hochwertigen deutschen Arbeiter immer mehr von der primitiven Arbeit wegzuziehen und einer hochwertigen Arbeit zuzuführen. Die primitive Arbeit aber wollen wir dann der durch die hochwertige Arbeit geschaffenen Maschine überlassen“.Es ist nicht Aufgabe dieses Lehrbuches auf einzelne Arbeitsvorgänge praktisch-technisch einzugehen. …“
Windorf, Rose: Die Putzfibel, Berlin 1939, S. 38-39
Dieses Zitat wirkt an dieser Stelle recht beliebig und eher so, als ob damit einer Pflicht Genüge getan wird. In den Ausführungen gibt es jedenfalls keine Formulierungen, die eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut zeigen oder eine propagandistische Wirkung erzielen wollen.
1950 erfolgte die erste Nachkriegsausgabe der Putzfibel. Im Geleitwort äußert sich Rose Müller-Windorf zu Entstehung:
„Seit 1943 war die Putzfibel vergriffen. Einer Neuauflage standen Hindernisse im Weg, die den den Zusammenbruch bedingt waren. … Soweit durch den Krieg Veränderungn oder Verlagerungen bestimmter Produktionen eingetreten sind, habe ich diese demStand der Gegenwart entsprechend berichtigt. Wo die Dinge noch im Fluß sind, … habe ich davon abgesehen, Änderungen des Textes vorzunehmen. … Das bezieht sich auch auf jene Fabrikationen, die sich überwiegend in der Deutschen Demokratischen Republik befinden, wo eine direkte Orientierung z.Zt. nicht möglich ist und maßgebliche Informationen nicht zu erlangen sind.“
Windorf, Rose: Die Putzfibel, Hannover 1950, S. 5
Die Autorin zeichnet jetzt als Putzmachermeisterin und Fachschulleiterin a.D., verfügt also über keine offizielle Funktion mehr. Gleichwohl verweist sie im selben Vorwort auf das „Drängen meines Berufsstandes … eine Neubearbeitung der Putzfibel vorzulegen“. Interessanter Weise werden wesentliche Teile der Fibel nicht überarbeitet, insbesondere, was die Herkunft der Rohstoffe, die in- und ausländischen Produktionsstätten usw. anbelangt. Dass es sich daher bei der Fachkunde auch um ein „historisches“ Wissen gehandelt hat, war wohl wenig problematisch.
Kurt Dröge nennt Rose Windorf „die wohl wichtigste Putzmacherin des 20. Jahrhunderts“ (Dröge, Die Putzmacherin, BoD 2017, S. 65). „In und über den Nationalsozialismus hinaus hat Rose Windorf die fachlichen Bildungsstrukturen des Putzmacherhandwerks ganz maßgeblich mitbestimmt. Sie sorgte für die Gründung vn Fachschulen, Modellversuchen, Versuchswerkstätten und Bildungsanstalten.“ (Dröge, a.a.O., S 71; dort mit Verweis auf Reitz-Töller, Marie-Luise: Die Putzmacherin. Ein weibliches Handwerk. Gesellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz, Mainz 1998)
Dem Buch von Reitz-Töller sind detailliertere biografische Details zu entnehmen:
„Rose Müller-Windorf, am 5. Februar 1887 in Berlin geboren, war eine der Modistinnen, die sich ihrem Beruf mit Leib und Seele verschrieben hatten. 1903 entschloss sich die damals Sechzehnjährige, das Handwerk der Putzmacherin zu erlernen. 1913 legte sie erfolgreich ihre Meisterprüfung ab. Zwei Jahre später war sie Mitbegründerin der ersten Putzmacher-Organisation „Reichsverband der Deutschen Putzmacherinnen“. Bis 1939 führte sie ein Damenhutgeschäft, dann übernahm sie, nachdem sie schon vorher Lehrgänge für Gewerbelehrerinnen, Meisterprüflinge und Gesellen durchgeführt hatte, die Leitung der Fachlichen Bildungsanstalt für das Putzmacherhandwerk in Rastenberg/Thüringen. Sie gab auch die von ihr ins Leben gerufene Fachzeitung „Deutsche Putzmacherinnen-Zeitung Hut und Putz“ heraus. In diesem Verlag veröffentlichte sie auch 1930 ihr erstes Fachbuch für Modistinnen, das „Lehrbuch der Putzfachkunde“, dem weitere Publikationen wie „Fachzeichnen für Putzmacherinnen“, Der Hut in Schnitt und Form“ und „Die Putzfibel“ folgten.
Reitz-Töller, Marie-Luise: Die Putzmacherin. Ein weibliches Handwerk. Gesellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz, Mainz 1998, S. 81-82
Darüber hinaus rief sie eine „Meisterwerkstatt“ ins Leben und veranlaßte in Zusammenarbeit mit der Firma „Pfaff“ den Bau einer technisch verbesserten Putzmachernähmaschine, die das Arbeiten in der Werkstatt erleichterte.“
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