„… wir haben eben in diesem Geschäftszweige wieder die beste Erfahrung, daß es den Frauen eben so leicht möglich ist, ein Geschäft zu betreiben und auf eine ansehnliche Höhe zu bringen, als uns Männer.“
So schreibt Johann Baptista Vanoni 1839 über die Putzmacherinnen (= eben dieser Geschäftszweig) in einem längeren Artikel, den Vanoni im Münchner Tagblatt veröffentlichte. Anlass war die (fiktive?) Forderung eines Herrn, „daß man bei Ertheilung der Putzmacher-Lizenzen vorsichtig die Moralität und Befähigung der Bewerberin prüfen soll“. Diese Forderung nach moralischer Überprüfung veranlasst Vanoni dazu, die zugrunde liegende Doppelmoral zu kritisieren. Putzmacherei sei eine gute Möglichkeit für Frauen, sich selbständig zu machen und ein Geschäft zu betreiben, in dem sie auch etwas erreichen könnten. Wer die fehlende Moral einiger weniger Putzmacherinnen beklage und verallgemeinere, müsse sich darüber klar sein, dass in diesen Fällen so gut wie immer die Amoralität von Männern Ursache dafür sei.
Es ist eine wahre Tirade, die wir hier im Münchner Tagblatt finden, eine Tirade gegen die moralinsaure Überheblichkeit derer, die leicht mit moralischen Urteilen zur Hand sind. Über den Autor Johann Baptista Vanoni (Junior) ist wenig zu finden. Sabine Ludyga schreibt in ihrer Dissertation „Geschichte der Naturheilkunde in Bayern im 19. Jh.“, München 2004 S. 44:
„Allen voran gab es Baptista Vanoni (1805-1865), einen gelernten Buchhändler aus Augsburg. Er gründete das dortige Tagblatt, das bald eine große Verbreitung erlangte, aber auch wegen seiner freisinnigen Richtung dem Herausgeber manchen Feind brachte. Die politischen Verhältnisse zwangen ihn, nach München umzuziehen, wo er 1846 das „Münchner Tagblatt“ kaufte und die Redaktion übernahm.“
Angesichts der abweichenden Informationen im Tagblatt selbst (Vanoni zeichnete bereits 1839 als „Eigenthümer und Redakteur“) halte ich den Zeitpunkt der Übernahme (1846) für einen Irrtum, ohne die bei Ludyga angegebenen Quellen im Detail überprüfen zu können.
Vanoni schrieb später einige Titel zur Naturheilkunde, z.B. „Die Natur heilt! Beiträge zur Hydrotherapie (Naturheilkunde) von Baptista Vanoni, Naturarzt (Schüler des Johannes Schroth)“, erschienen Augsburg J.A. Schlosser 1861.
Den Text des Artikels über die Putzmacherinnen habe ich hier eingefügt. Unklar bleibt mir lediglich die Unterscheidung zwischen † und †††. Ggf ist ein Geistlicher gemeint?
(Auch Etwas über Putzmacherinnen)
In Nro. 308 des Tagblattes hat sich ein † – ich will nicht hoffen ein ††† – erhoben und einen Schuß losgefeuert auf das Heer der Putzmacherinnen, und da, wie es scheint, sich Mehrere durch diesen Schuß getroffen fühlen, obwohl nicht auf sie gezielt war, so dürfte es geeignet erscheinen, wenn ich einige Worde des Friedens und des Trostes an die wunden Herzen der Verletzten spreche. Ich habe ja schon bei mehreren Gelegenheiten mich um das edle Geschlecht der Frauen angenomen und für sie zwar nie das Schwert, aber doch die Feder ergriffen. –
Der Herr † will aufmerksam machen: „daß man bei Ertheilung der Putzmacher-Lizenzen vorsichtig die Moralität und Befähigung der Bewerberin prüfen soll.“ Es ist wirklich komisch, was man den Behörden Alles aufbürden will; man sieht die Herren Beamten für Vormünder, für Sitten- und Tugend-Wächter an! Es ist sehr löblich, dankenswerth und wohlthätig, daß man wenigstens durch diesen Zweig (Putzhandlungen) es den Frauenzimmern möglich macht, sich selbständig und unabhängig von den Männern zu machen, und wir haben eben in diesem Geschäftszweige wieder die beste Erfahrung, daß es den Frauen eben so leicht möglich ist, ein Geschäft zu betreiben und auf eine ansehnliche Höhe zu bringen, als uns Männer.
Wenn einige Putzmacherinnen ihr Geschäft nicht verstehen, oder sogar damit Mißbrauch machen, so ist dies kein Grund, gegen die ganze Klasse derselben aufzutreten. Sind wir Männer hierin besser? Verstehen wir alle unser Geschäft? Sind wir alle recht fleißig, betriebsam, moralisch gut, und sind wir die Muster der Tugend? Machen wir keinen Mißbrauch von Privilegien, Konzessionen und Lizenzen, die uns von den Behörden in der besten Absicht gegeben werden? – Kommt nicht Einer empor, während der Andere zu Grunde geht? Wird der Eine nicht vom Glücke begünstiget, während den Anderen das Unglück verfolgt?
Seyd nun ehrlich, Ihr Männer, und bekennt aufrichtig: durch den wurden denn jene Mädchen leichtfertig, durch wen wurden sie verführt – diese Mädchen, über die Ihr so hart den Stab brechet, seyd Ihr besser, die Ihr über den Fall der Tugend eines Mädchens schonungslos herfallt, während Ihr sie vielleicht schützen und vor dem Falle hättet bewahren können?
Ich sag‘ es Euch offen in’s Gesicht: Unter hundert Mädchen-Tugenden, die gefallen, lasten neun und neunzig auf Eurem Gewissen!!! Alle nur erdenklichen Mittel wendet Ihr oft an, um ein unerfahrnes, argloses Mädchen in Euer Netz zu locken, und selbst, wenn es Euch mißlingt, so rächet Ihr Euch dadurch, daß Ihr in den Augen Anderer des Mädchens Tugend dennoch verdächtiget; ist Euch aber das Stück gelungen, so erröthet Ihr nicht, Euch damit zu prahlen! –
Es ist eine alte Erfahrung: Je größer der Wüstling, um so schonungsloser und liebloser verfährt er im Urtheile über das Geschlecht der Frauen.- Bessert nur zuerst Euch selbst, Ihr Männer, die Ihr Euch selbst die Starken nennt; bestrebet Euch mindestens der Sittlichkeit und Ihr werdet die Weiber stets tugendhaft finden! So lange Ihr aber nicht besser seyd, als jetzt, so lange steht es Euch wahrlich schlecht, als Ankläger des Frauen-Geschlechtes aufzutreten! (B.V.)
Quelle: Münchner Tagblatt, Jg. 13, Nro. 317 vom 17.11.1839, S. 1305-1306
© Copyright Anno Stockem 2024
Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich gerne zum Newsletter von ansto.de an!