Im von Friedrich Justin Bertuch herausgegebenen „Journal des Luxus und der Moden“ finden sich immer wieder Passagen, die auch heute noch beruhigend wirken. In einem Journal, das sich der (aktuellen) Mode widmete, zeigt der Text die große Souveränität, mit der Bertuch seine Ansichten vertrat.
„Alles ist Mode, was guter Geschmack und Kenntniß ihrer eignen Figur und Gestalt, Verhältnisse u.s.w. an dem Anzuge einer Dame schafft und bildet. Alles ist in diesem Fall wahlfähig; ein stolzer Turban, ein nachlässiges Kopftuch, ein kriegerisches Casquet, ein einfaches Band, ein ländlicher Blumenkranz ins Haar, oder ein naives Strohhütchen, alles ist recht und schön, wenn Geschmack und Verstand es gewählt, und die Hand der Grazien es geordnet hat. Die Mode hingegen ist despotisch, schließt alle Wahl aus, kleidet Blond und Braun, Jung und Alt, Lang und Kurz in einerley Uniform, und bekümmert sich wenig darum, was für lächerliches Carrikaturen zu tausenden sie auch schaffe, wenn vielleicht ihr Tyrannenstempel nur einige wenige Figuren schön und geschmackvoll ausprägt. …
Journal des Luxus und der Moden, August 1794, S. 397-398
Nichts ist Mode – dies, schöne Leserinnen, wird ihnen nun verständlicher seyn. Mode ist jetzt ein leeres Wort, ein Fantom, liebe Leserin, das Sie nicht mehr zu fürchten haben. Glücklicherweise ist es nun in Teutschland dahin kommen, daß nichts Absolut Mode ist, wie Paris uns sonst kindisch weismachte. Kleiden Sie sich geschmackvoll, anständig und für Ihre Jahre und Verhältnisse passend, und ich stehe Ihnen dafür, Sie werden gefallen, wenn die Hand der Göttin Mode Sie auch nicht eingeseegnet, und Paris auch nicht Ihren Schneider, Ihren Friseur, oder Ihre Putzmacherin gebildet hat.“
Der Abschnitt spricht ja nicht gegen die Schneider, Friseure oder Putzmacherinnen, sondern nur gegen ihre unbedingte „absolute“ Abhängigkeit vom Pariser Geschmack. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es eine Aufgabe der – mich ja primär interessierenden – Putzmacherin gewesen ist, ihre Kundinnen „typgerecht“ zu beraten und auszustatten. Es ging also gar nicht darum, stets Kenntnis von der neuesten Pariser Mode haben zu müssen. Das wäre für die vielen Putzmacherinnen, die ja nicht nur in den großen Städten, sondern auch in kleineren Orten arbeiteten, auch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Schließlich brauchten Nachrichten oft mehrere Wochen, bis sie von Paris in die Kleinstädte Deutschlands gelangen konnten.
Bertuch erläutert seine Haltung anhand eines Bildes:
„Sehen Sie z. E. beyliegende Zeichnung einer jungen Teutschen Dame. Sie finden im Grunde nichts Neues an ihr als ihr Kleid, welches eine Volante, oder fliegender Rock heißt, der so wie das Corset, von ganz einfachen blauen Taft ist, einen platt auf den Rücken fallenden Frack-Kragen hat, und über dem Corsett mit blauen Bändern gebunden ist. Uebrigens ist alles so einfach und gewöhnlich an ihr, daß Sie schon längst mit ihr bekannt zu seyn glauben; und dennoch wird sie gewiß gefallen, wenn die Natur ihr sonst die Gabe zu gefallen gegeben hat. Jedoch dies ist auch ein Geschenck welches Sie allein aus den Händen der großen allgütigen Mutter erhalten, und weder von London, noch Paris verschreiben, noch in irgend einer teutschen Mode-Waaren-Bude kaufen können.“
Journal des Luxus und der Moden, August 1794, S. 398
Aus dem „Journal des Luxus und der Moden“ habe ich schon mehrfach solche Trouvaillen beschrieben, so zum Beispiel die „Bitte an eine französische Putzmacherin“ und „Der Kopfputz der vier weiblichen Alter„.
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