Der hübschen Modestiche wegen kaufte ich einen Band des „Journal des jeunes Personnes“ von 1847, enthaltend 12 Monatsteile. Neben den Rubriken „Èducation“, „Instruction“, „Histoire“, Littérature“, „BeauxArts, Science et Industrie“, „Voyages“ und „Melanges“ findet sich auch eine Abteilung „Modes et Traveaux à l’aiguile par Madam Annica de Bell.“

Die Zeitschrift wurde herausgegeben von Mlle S. Ulliac Trémadeur. In ihrem Vorwort erläutert sie die pädagogische Ausrichtung der Zeitschrift:
„L’éducation est donc le point de départ et le point d’arrivée que nous avons en vue dans la publication du Journal des jeunes Personnes (…) La seconde partie du Journal des jeunes Personnes est consacrée à l’instruction.“
Journal des jeunes Personnes, Paris 1847, S. 2
Allerdings – die Mode spielt für die Instruktion eben auch eine Rolle:

„Comme femme encore, elle a besoin de connaître les prescriptions de la mode, non pour les suivre aveuglement, mais pur ne pas s’exposer auc ridicule en blessant, par ignorance, les usages reçus.“
Journal des jeunes Personnes, Paris 1847, S. 2
In Abgrenzung zu reinen Modezeitschriften erläutert Ulliac Trémadeur, dass sie es für ausreichend hält, nur die wichtigsten Modeneuheiten vorzustellen:
„Une Revue des modes, dont les renseignements seront puisés aux sources les meilleures, paraîtra à chacune des époques où la mode varie la forme des vêtements et change les ameublements; pendant le reste de l’année nos jeunes lectrices seront tenues au courant de ce qui se fait de plus nouveau dans tous les genres. Ces Revues seront accompagnées de figures charmantes, bien dessinées (le nom de Jules David le dit assez), bien gravées, coloriées aves goût, et digne de servir en tout de modèle.“
Journal des jeunes Personnes, Paris 1847, S. 3

Modebilder gab es also nur, wenn die Mode so richtig wechselte. Da die Bilder selbst von einem großen Modejournal übernommen wurden, dem „Le Moniteur de la Mode“, bedeutete die Auswahl von nur vier Bildern im Jahr eine erhebliche Einsparung – die zugekauften Modestiche waren teuer.

Überraschend ist, dass die Modestiche nirgendwo im Text beschrieben werden. Es gibt zwar immer ein Kapitel „Modes“, das aber auf (nicht mehr vorhandene) Handarbeitsmuster verweist und diese erläutert. Allerdings finden sich auch Noten, sogar mit dem Druckvermerk „“Journal des jeunes Personnes“, auf die ebenfalls nirgendwo eingegangen wird, sowie einige Stahlstiche. Vielleicht war bei Abschluss des Textes noch nicht klar, welche Beilagen man hinzufügen konnte, oder die Beilagen gab es nur beim Jahresband.
S. Ulliac Trémadeur war eine durchaus bemerkenswerte Autorin. Sei nutzte etliche Pseudonyme, und davon finden wir auch im „Journal“ einige. Das war sicher auch sonst üblich – und praktisch, man musste sich nicht mit fremden Autor*innen herumschlagen. Ein bisschen überrascht war ich aber schon, als ich das Loblied las, das Ulliac Trémadeure in einer Art Nachwort auf ihre Autor*inen anstimmte:
„… Nous oserons dire, sans orgueil, qu’ils ((die Autor*innen)) tiennent a honneur de voir leurs noms paraître dans ce recueil que protège le suffrage des familles de tous les rangs (…) M. F. Lastoure ayant bien voulu accepter la seule place qu’il nous fût possible de lui offrir dans un recueil tellement rempli…“
Journal des jeunes Personnes, Paris 1847, S. 378
„M. Fernand de Lastoure“ war eines der Pseudonyme, unter denen Ulliac Trémadeur schrieb, und auch ein anderes Pseudonym, „Mme Sophie Dudrézène“, taucht regelmäßig auf. Andere Beiträge sind nur mit Versalien gekennzeichnet, – unter „D. G.“ oder „E. P.“ kan sich so ziemlich jeder verborgen haben.

Für den Modeteil war „Annica de Bell“ zuständig, im Nachwort als „Annica Bricogne (Annica de Bell)“ benannt. 1848 erschien im selben Verlag wie das „Journal“ ein „Album d’ouvrages au filet, crochets, tricots, etc. / par Mme Annica Bricogne“, vermutlich die gesammelten Werke aus den letzten Jahrgängen. Außerdem sind von ihr biotanische Illustrationen bekannt.
Insgesamt scheint mir, dass das „Journal“ nur von wenigen Personen geschrieben wurde-. Vermutlich war das auch nicht untypisch, wenn man die große Menge dieser und ähnlicher Zeitschriften berücksichtigt. Dank verschiedener Pseudonyme konnten so auch Frauen literarisch sehr erfolgreich sein – wenn auch nicht unter dem eigenen Namen. Das hat sich – glücklicherweise – ja heute geändert…
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