Die Lithografie „Marchandes de Modes“ erschien 1828, gezeichnet vom Zeichner, Maler und Schriftsteller Henri Monnier. Sie war Teil einer sechsteiligen Folge von Millieustudien, die Monnier unter dem Titel „Boutiques des Paris, Dessinées sur Pierre par Henri Monnier“ veröffentlichte. „Dessinée sur Pierre“ bedeutet, dass es sich um eine Lithographie handelt, bei der ja vom Lithographiestein gedruckt wird.
Das Bild ist ebenso vergnüglich wie informativ. Ganz offensichtlich geht es um die Anprobe eines Hutes, oder besser gesagt: Kopfputzes einer Dame in einem Putzatelier. Optisch besonders auffallend sind aber andere Personen. Die Dame im gelben Kleid wendet uns den Rücken zu – dass sie einen hellen Hut in der Hand hat, sieht man erst auf den zweiten Blick. Ob das wohl eine der titelgebenden „marchandes de modes“ ist? Uns direkt zugewandt ist nur die Frau rechts im grauen Kleid – die allerdings nach oben in den Spiegel schaut. Dann gibt es noch eine weitere Gehilfin (?), die den Spiegel richtet, und ganz links einen Herrn in Grün, der durch seine Brille hindurch die Szene beobachtet. Die Kundin, die den Kopfputz ausprobiert, ist im Halbprofil abgebildet. Sie steht etwas erhöht, es sieht aus, als ob sie auf einer Hutschachtel steht; in Relation zu den anderen Personen ist sie deutlich kleiner und ggf. auch jünger. Und so wird langsam eine Geschichte daraus: der Herr links könnte der Vater, die Dame in Grau die Mutter sein. Beide sind jedenfalls ähnlich bieder gekleidet und passen so zusammen.
Im Hintergrund sehen drei weitere Putzmacherinnen der Szene zu. Sie sitzen hinter einer Art Balustrade, es könnte sich auch um einen Ladentisch handeln, und schauen interessiert von ihrer Arbeit hoch. Rechts im Bild wird eine weitere Person halb von einem Stapel Zylinderhüten verdeckt. Offensichtlich kümmerte man sich im selben Geschäft auch um Kopfbedeckungen für Herren. Das Bild heißt zwar „Marchandes de Modes“, die Szene scheint sich also in einem größeren Etablissement abzuspielen, das auch andere Artikel, namentlich Herrenhüte, führte.
Die Szene ist mit leichter Hand ausgeführt; die Überzeichnung der Figuren würde ich nicht als „Karikatur“ bezeichnen, dazu sind sie zu liebevoll ausgeführt; man spürt ein kleines bisschen Spott und ein leises Augenzwinkern.
Henri (oder Henry) Bonaventure Monnier war ein Maler, Zeichner und Autor, der von 1799 bis 1877 in Paris lebte und arbeitete. Seit 1830 konzentrierte er sich auf das Theater, schrieb Stücke und war auch selbst als Schauspieler aktiv. Besonders berühmt durch seine Figur „Joseph Prudhomme“, der den Prototypen des französischen Spießbürgers darstellt, analog vielleicht zum „deutschen Michel“. Monnier verkörperte diese Rolle gerne selbst, auch das Selbstpoträt oben zeigt ihn in dieser Rolle. Der Figur des Joseph Prudhomme wurden viele Sprüche in den Mund gelegt, einige bekanntere finden sich beim Eintrag Henry Monnier auf Wikipedia. Besonders gut gefallen hat mir der folgende: „„Das ist meine Meinung und ich teile sie“. (C’est mon avis et je le partage.). Ein Motto, das heute leider in den „social media“ weite Verbreitung gefunden hat …
© Copyright Anno Stockem 2024
Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich gerne zum Newsletter von ansto.de an!