Putzmacherei und Putzmacherin

Ein Blick ins Atelier der Putzmacherinnen

Das Atelier einer Putzmacherin ist ein Sujet, das immer wieder Künstler inspiriert hat, sicher auch aufgrund der vielen farbigen Materialien, die dort verwendet wurden. Von Pierre Outin, der ebenfalls gerne in Farben schwelgte (dazu unten mehr), ist aber leider nur ein Stahlstich überliefert, in dem er ein solches Atelier zeigt. Oder vielmehr – eine Geschichte erzählt, die dort stattfindet …

L'atelier de modiste, von Pierre Outin aus dem Jahr 1898
L’atelier de modiste, von Pierre Outin aus dem Jahr 1898

Die Szene ist bewegt und belebt. Gezeigt wird eine Werkstatt, in der vier Frauen und ein Botenjunge offensichtlich vielerlei gleichzeitig tun. Links steht eine Putzmacherin mit einem Hutkarton, wohl gerade im Aufbruch begriffen; eine zweite sitzende Putzmacherin zeigt ihr ein Papier (mit einer Nachricht?). Sie hat auf den Knien einen Putzkopf mit einer Haube, an der sie wohl gerade noch gearbeitet hat. Die dritte Putzmacherin am Fenster hat gerade die Gardine etwas zur Seite geschoben und sieht so aus, als ob sie noch etwas zum Gespräch beitragen wollte; und die vierte schließlich späht über die Gardine nach draußen.

Vor dem Schaufenster und vor der Eingangstür sind drei Männer erkennbar. Ein Herr mit schwarzem Zylinder steht direkt vor dem Schaufenster, und er scheint derjenige zu sein, der die Aufmerksamkeit der dritten und vierten Putzmacherinnen fesselt. Zwei weitere Figuren stehen vor der Ladentür, man könnte meinen: sie lungern davor herum; einer mit Zweispitz und Lorgnon, der andere mit bunter Weste und einem Stock, den er geschultert trägt.

Der Botenjunge schließlich steht relativ weit im Vordergrund und ist mit einem dunklen, militärisch anmutenden und aufwändigen Livree bekleidet. Er wendet uns halb den Rücken zu und trägt in seiner Hand einen großen Blumenstrauß. Und vielleicht ist dieser Blumenstrauß auch der beste Weg in die Geschichte, die der Künstler uns hier erzählt. Der Junge hat offensichtlich einen Blumenstrauß mit einem Brief gebracht hat, nämlichen Brief, mit dem sich die beiden Frauen links im Bild befassen. Es bleibt unklar, wer von den beiden die Empfängerin gewesen sein mag. Die beiden anderen Putzmacherinnen öffnen den Blick durch die Gardine nach draußen, wo besagter Herr steht und ins Atelier hineinzublicken scheint. Ob er wohl derjenige ist, der den Strauß, den Brief vor allem, geschickt hat? Die beiden anderen Figuren vor der Tür sind wohl nur Staffage, sind halbseidene Gegenbilder des Herrn mit Zylinder, der offensichtlich genug Geld hat für einen großen Blumenstrauß und – so könnte die Livree des Botenjungen gelesen werden – gar wohl von Adel gewesen sein mag!

Und natürlich kann es sich auch alles ganz anders abgespielt haben.

Die Szene bietet vielerlei Details, die für ein Putzmacher-Atelier typisch gewesen sein dürften; die Stoffreste auf dem Boden, die runden Hutschachteln, die Hüte und Hauben auf dem Tisch und – halb verdeckt – im Schaufenster. Der Raum wirkt sehr großzügig und geräumig, und spätestens hier wird deutlich, dass es sich um eine Phantasie handelt, eine Träumerei, ja vielleicht sogar eine romantische Verklärung. Die Mode und das Interieur verweisen auf die 1820er Jahre; Pierre Outin, der Schöpfer dieses Werkes, wurde allerdings erst 1840 geboren. Er starb im Jahr 1899, ein Jahr nach dem Entstehen dieses Bildes, und es ist nicht undenkbar, dass er hier eine Skizze als Stich ausgearbeitet hat, die er später vielleicht als Ölgemälde ausgeführt hätte.

Outins Ölgemälde sind sonst bunt, farbenfroh und zeigen sehr häufig Situationen einer unbestimmten Vergangenheit. Wir würden heute von sentimentaler, fast kitschiger Genre-Malerei sprechen.

Festtag (jour de fête). Ölgemälde von Pierre Outin
Festtag (jour de fête). Ölgemälde von Pierre Outin

Anhand dieses Bildes kann man sich leicht vorstellen, wie eine farbige Ausführung des „Atelier de Modiste“ ausgesehen haben könnte.

Pierre Outin wurde am 25. September 1840 in Moulins geboren und starb am 03. August 1899 in Paris. Er ist ebenso bekannt für seine historisierenden wie mythologischen Themen. Outin stellte im Pariser „Salon“ aus und war seinerzeit ein durchaus geachteter und für seine Detailtreue und seinen Umgang mit Farben geschätzter Maler einer akademischen Malerei. Heute wirken seine Bilder jedenfalls bunt und heiter und – machen irgendwie auch gute Laune.

© Copyright Anno Stockem 2025

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