Putzmacherei und Putzmacherin

Beyers Führer für Putzmacherei im Hause (1922)

Ein seltenes Heft des Otto Beyer Verlages, Leipzig verdient es, hier vorgestellt zu werden. Zunächst einmal erfreut natürlich die schöne Titelseite:

Titelblatt von Beyers Führer für die Putzmacherei im Hause 1922
Titelblatt von Beyers Führer für die Putzmacherei im Hause 1922

Auf der Innenseite des Umschlags wird dann direkt und ganz praktisch erklärt, wie die Hüte jeweils herzustellen sind; natürlich sind jeweils „Beyer-Schnitte“ erhältlich, wie auch für alle anderen vorgestellten Hüte. Der Otto Beyer Verlag war für seine Schnittmuster bekannt, die gesondert zu den Veröffentlichungen des Verlages vertrieben wurden.

Mit der ersten Textseite verändert sich das Erscheinungsbild – das Papier ist deutlich schlechter und entsprechend auch vergilbter. Das wundert wenig, wenn man bedenkt, dass das Heft 1922 erschien, als in Deutschland eine Wirtschaftskrise herrschte und die Inflation ständig stieg.

Besonders augenfällig wird das bei der Lektüre des „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“, dem Fachorgan für Verlags-, Groß- und Sortimentsbuchhandel, vom 3. Oktober 1922. Der Verlag Otto Beyer kündigte darin diesen „Führer für Putzmacherei“ an – zum Preise von 60 Mark. Das Heft umfasst gerade einmal 20 Seiten …

Ankündigung Beyers Führer für Putzmacherei im Hause 1922
Ankündigung Beyers Führer für Putzmacherei im Hause 1922

Die Inflation macht sich bemerkbar. Viele Verlage veröffentlichten anstelle umfangreicher Preisänderungen eine sogenannte Teuerungszahl, mit der die „alten“ Grundpreise für den Verkauf zu multiplizieren waren. Als Beispiel hier die Anzeige des F. Bruckmann Verlages:

Anzeige der Teuerungszahl 1922 Bruckmann
Anzeige der Teuerungszahl 1922 Bruckmann

Vielleicht ist es so nachvollziehbar, dass es bei Heft 1: Winter 1922/23 blieb. Der Sommer 1923 stellte die deutsche Bevölkerung noch vor ganz andere existenzielle Sorgen. Am 3. Oktober 1922 betrug der Umrechnungskurs von der alten „Goldmark“ zur „Papiermark“ 1:100, ein Jahr später, am 3. Oktober 1923, dann 1:100.000.000. Erst nach der Währungsreform, am 15.11.1923, stabilisierte sich die Währung wieder und mit ihr die gesamte Wirtschaft. Der Otto Beyer Verlag hatte die Zeiten überlebt – und gründete Ende der 20er Jahre eine der berühmtesten Modezeitschriften des 20. Jahrhunderts: „die neue linie“. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Die „Putzmacherei im Hause“ wandte sich offensichtlich nicht an die professionellen Putzmacherinnen, sondern an diejenigen, die ihre Hüte zu Hause selbst fertigen wollten. Die Anleitungen sind sehr präzise, sehr anschaulich – und gleichzeitig sehr anspruchsvoll in ihrer Differenziertheit. Wahrscheinlich war die Motivation hoch, sich in der kargen Nachkriegszeit selbst seine Hüte herzustellen.

Da der Text von „Beyers Führer für die Putzmacherei im Hause“ sonst nirgendwo zu finden ist, füge ich hier einmal ein pdf meines Exemplars ein:

© Copyright Anno Stockem 2024

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