Im deutschen Sprachraum nimmt das Universallexikon von Johann Georg Krünitz einen besonderen Platz ein. Das 18. Jahrhundert war zweifellos das Jahrhundert Lexika und Enzyklopädien. Die berühmteste war die von Diderot, nicht zuletzt wegen der ungeheuren Menge an Kupferstichen, die ein schier unerschöpfliches Bilderreservoir darstellen. Diese Encyclopedie wurde in anderen Ländern begeistert aufgegriffen – und kopiert. In Deutschland war es Johann Georg Krünitz, der 1773 eine „Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft“ begann, die 1858 mit 242 Bänden abgeschlossen wurde. Unglaubliche 72 Bände hat Krünitz wohl selbst verfasst.
Auch die Putzmacherei kommt an verschiedenen Stellen vor. Erfreulicher Weise liegt das Gesamtwerk in digitalisierter Form und öffentlich zugänglich vor. Ich habe im Folgenden die für die Putzmacherei relevanten Abschnitte zusammengefasst. Die Texte kommen aus unterschiedlichen Bänden, daher die verschiedenen Jahreszahlen.
Krünitz – und hier ist dann selbstredend das Werk gemeint, nicht unbedingt der Autor – bietet zur Putzmacherin folgenden Eintrag an:
„Putzmacherinn, eine Person weiblichen Geschlechts, welche Putz, d. i. zierliche Hauben, Palatinen etc. für das andere Geschlecht verfertigt, auch wohl Haubenmacherinn, Haubensteckerinn, von den Hauben, dem vornehmsten Stücke des Putzes.
Die besonderen Stücke, welche die Putzmacherinnen verfertigen, kommen in eigenen Artikeln dieses Werkes vor. Zur Bildung solcher Künstlerinnen gehört außer einer Fertigkeit in den feineren weiblichen Handarbeiten, als Feinnähen, Blumenmachen. Sticken etc. eine gewisse Leichtigkeit in der Behandlung der mannigfaltigen Formen des Putzes, um etwas ohne Mühe nachahmen und auch wohl neue Moden darstellen zu können.“
Krünitz, Band 119, erschienen 1811, S. 17
Ausführlich findet sich bei Krünitz dann ein Artikel zum Stichwort „Putz“:
„Putz, 1) ein Collectivum, gewisse Nebenzierrathen auf den Kleidungsstücken zu bezeichnen, welche zur Verschönerung derselben dienen. So pflegt man Spitzen, Schnüre, Schleifen und was die Mode alles will, zu dem Putze zu rechnen, da es denn auch wohl so viel Dinge einer Art bedeutet, als zu einem Anzuge nöthig sind. Ein Putz Spitzen. Ein Putz Bänder.
2) Der Zustand da man geputzt ist, und zuweilen auch die Handlung da man putzt. Im schönsten Putze erscheinen. Nun geht der Putz an.“
Krünitz, Band 119, S. 17
Es folgt im selben Beitrag dann eine ausführliche moralische Bewertung des Putzes als potenziell verderbliches Mittel:
„Es ist eine falsche Erziehung der Kinder, wenn Mütter, die schöne Kinder haben wollen, solche durch Kleider und ausgesuchten Putz allein noch schöner zu machen suchen. Sie bringen den Kindern aufs frühzeitigste die Meinung bey, daß sie durch die Kleidung mehr werden als andre Menschen. Statt den Hochmuth nicht aufkommen zu lassen, und ihn als eine der schädlichsten Gesinnungen auszurotten, so locken sie ihn zum Wachsthum hervor, nähren und pflegen die giftige Pflanze aus allen Kräften.
Sobald das Töchterlein nur mäßiger Empfindungen fähig ist, so wird es des Morgens, nach dem Anputze, vor den Spiegel getragen oder geführt, um sich darin zu beschauen, zu gefallen und zu freuen. Mutter und Bediente freuen und jauchzen mit Worten, Händeklatschen und Küssen daneben. Denn nun war die Schöpfung des Engels geschehen. Das Kind wird größer, man lebt mit ihm auf gleichem Tone fort, man macht ihm neue Epochen in neuen prächtigern, den allermodischten Trachten. Hiervon wächst dem Kinde der Hauptgedanke: es sey nur in so fern gut oder besser, als die Kleidung prächtiger oder neumodischer ist. So wird das vornehme Kind dem Hochmuth, der stolzen Erhebung über andere völlig zugezogen. So ward statt der großen Seele, eine kleine. Eine völlig falsche Anlage zum moralischen Charakter. Nun können es sich so manche Jungfrauen, oder Fräulein und Damen erklären, woher es kommt, daß sie, bey geänderten Einsichten zu schüchtern und blöde sind, daß es ihnen der halbe Tod ist, und es ihnen an Seelengröße fehlt, wenn sie die Mode, die oft unnatürlichste Mode, sonderlich im Kopfputze, nicht mitmachen wollen. Sie bekommen nicht genug Anlage dazu in den kindlichen Jahren. Die Putz= und Modesucht war damahls schon bey ihnen gleichsam die halbe Natur geworden. Hieraus entsteht nun der so große Kampf des meisten Lebens bey vernünftigen Schönen, die volle Mode der Trachten nicht mehr mitzumachen. Kaum wird die Matrone erst ruhig werden. Will aber eine Mutter, daß die Tochter als Jungfrau, Fräulein oder Dame in Ansehung der Mode im Putze Seelengröße beweisen könne, so muß sie mit religiösen Gesinnungen das kindliche Herz erfüllen, und die Töchter durch alle Erziehungsperioden so mit eigenem Beyspiele fast mehr, als mit Worten ziehen, daß sie von der Demuth und Bescheidenheit ihren Hauptschmuck hernehmen mögen.
Soll ich nun aber nach Sittenlehre auch als Oekonom reden, so hält mich nur die Furcht von der Weitläuftigkeit ab, den verschiedenen Klassen des Mittelstandes Rechnungen zu machen, wie sie ihre Töchter wenigstens um drey Theile ihres Vermögens, ihrer Mitgabe bringen, wenn Mütter und auch nicht genug männliche Väter, schon in der ersten Erziehungsperiode bey Kindern die Anlage zum Hochmuth und dessen Aeußerung im Kleiderputze machen. Denn diejenigen Aeltern, welche das ganze Vermögen an den Staat ihrer Kinder hängen, sind ganz unter meiner ökonomischen Kritik.
Bey Kindern muß man in Ansehung der Kleider die Reinlichkeit zur Grundlage machen. Dazu muß man mit dem erst entwöhnten Säuglinge schon den Anfang machen. Dann bezeuge man dem Kinde aufs sorgfältigste seinen Beyfall, wenn es sich in Acht nimmt, die Kleidung nicht zu beschmutzen. Ihm lasse man ein Mißfallen der ganzen Familie an nicht schuldlosen Besudelungen seines Anzugs Strafe werden. Und wenn man in der ersten Erziehungsperiode so glücklich gewesen, die Unschuld des Kindes zu bewahren, und ihm nur allein Geschmack an Reinlichkeit und Ordnung (daß jedes Stück Zeug recht und manierlich an seinem ihm zukommenden Orte sey, als welches dem sogenannten Schluderichten oder Nachläßigen entgegen steht,) beygebracht hat: so verhüte man nur noch, daß eben dieses unschuldig gebliebene Kind nicht noch in der zweyten oder dritten Erziehungsperiode, meistens in sogenannten Pensionen oder Erziehungsanstalten von Französinnen oder ihnen ähnlichen deutschen Erzieherinnen, verdorben werde. Auch der Umgang mit Mädchen, die Putznärrinnen sind, kann sie verpesten. Sie möchten die Verachtung oder Beschimpfung von ihren Zeitgenossinnen noch nicht ertragen, und daher den Wunsch und das Bestreben in ihnen erregen, sich je eher desto lieber ihnen gleich stellen zu können. Sie haben die meiste Gefahr von denen zu besorgen, die zur Verwandtschaft gehören, oder Töchter solcher Aeltern sind, die mit den Aeltern des unschuldigen Mädchens von gleichem Rang und Würde sind. Und wenn Aeltern ihrem noch unverführten Kinde noch nicht so viel Stärke zutrauen, daß es den Versuchungen zum Hochmuth im Umgange mit seines Gleichen nicht widerstehen, daß es von ihnen ein heimliches Gift einziehen könnte: so müssen sie mit guter Art den Umgang ihres Kindes einschränken, und falls es Wohlstand und besondere Umstände nothwendig machen, ihr Kind in die Gesellschaft vereitelter Kinder, doch nicht oft, nur selten kommen zu lassen: so geschehe es unter den Augen der Mutter, oder einer getreuen Stellvertreterinn Aber glückliche Verwandschaften, in welchen die Aeltern gründliche Erziehungsprincipien angenommen. oder darüber einverstanden sind, und vermöge welcher die Kinder von der edlen Simplicität und Unschuld der Sitten durch ihres Gleichen nicht zurück; ehe weiter gebracht werden! Wo aber z. B. in einer Stadt oder auf dem Lande nicht Verwandtschaften oder nicht so gute sind, da sollten Bekannte als Gemüthsfreunde einen gewissen Zirkel machen, und unter sich ein System der Kleidertracht für das Mädchen und die Jungfrau verabreden, welches der Putz= und Modesucht entgegen stände. Ein System, vermöge dessen Mädchen und Jungfrauen (aber auch nicht die Frauen?) einträchtig, nur so gekleidet wären, daß Reinlichkeit und Ordnung, gar nicht aber die Mannichfaltigkeit, die Kostbarkeit und Pracht den Zirkel unterscheiden müßte.
Muß aber das Mädchen oder die Jungfrau unter solchen zu Zeiten seyn, oder sie doch kennen und wissen, die sich in Putz und Pracht so ausnehmend hervorthun, so erforsche die Mutter den Sinn ihres Kindes oder Mädchens, und höre darüber seine Urtheile, um sie, wenn sie wanken, zu berichtigen, und wenn sie richtig sind, sie zu bestätigen. Die Mutter mache es dem Kinde oder Mädchen recht anschaulich, aber auch so, daß von dieser Seite her kein Hochmuth aufgehe, wie es weit glücklicher sey, als jene, die die Hälfte, den meisten Theil ihres Vermögens auf die Kleiderpracht gehen lassen. Die Mutter oder der Vater lasse die Tochter es ausrechnen, was der jährige Aufwand auf jene kostbare, kurz dauernde Tracht koste. Was da für eine Summe darauf gehe, wenn sie von noch folgenden 10 Jahren oder mehrern dazu gerechnet wird, und wie jede Jahrssumme an sich, da immer mehrere und neue Kleidungsstücke hinzukommen, mit jedem der folgenden Jahre jede vorhergehende Jahressumme übertreffen müsse. Die Tochter rechne nun dagegen, was sie oder ihre Aeltern in Vergleichung mit den Putzpuppen ersparen; was die ganze Ersparung etwa binnen 10 Jahren für eine Hauptsumme herausbringen werde. Wie jede kleine Ersparniß endlich zu so ansehnlichen Summen Gewinnst erwachse. Wie endlich das größere Vermögen mehr Glückseligkeit, als ein geringeres sey, weil man damit mehr neues Vermögen erwerben, mit größerm Vermögen mehr ausrichten, mehr Gutes thun, mehr zum Glück der Welt beytragen könne u. s. f. So wünschte ich, daß das Mädchen oder die Jungfrau durch das Rechnen auch möchte zur Sittlichkeit und Oekonomie gebildet werden.
Aber auch erzähle die Mutter, oder der Vater dem Kinde Beyspiele von Personen ihres Geschlechts, welche sich durch Simplicität in der Kleidung, durch Verachtung der Pracht darin, groß bewiesen. Beyspiele, da andere durch Hochmuth und dessen Erweisung in Kleiderpracht sich theils verächtlich theils lächerlich gemacht haben. Seneca sagt, es sey ein kürzerer Weg zur Tugend durch Beyspiele, als durch Regeln. Die Erfahrung in der Pädagogik gibt ihm vollkommen Recht.“
Krünitz, Band 119, Seite 17-22
Hier wird ja doch sehr deutlich, dass der Autor den Putz als Zeichen des Hochmuts und der Veschwendung sieht. Geschrieben bzw. verantwortet hat den Beitrag ein Theologe: Heinrich Gustav Flörke.
Sehr ausführlich schreibt in Band 44 noch Krünitz persönlich zum Stichwort „Kopf-Putz“. Auf 59 Seiten bringt er ausführliche historische Belege für römische Haartrachten sowie eine Übersicht über die damals aktuellen Kopf-Putze. Hier wird deutlich, wie nah sich zu Krünitz‘ Zeit die eigentliche Haartracht – wir würden Frisur sagen – und der eigentliche Putz, also Bänder, Stoffe usw. waren. Aus dem Beitrag habe ich einige Teile ausgewählt:
Kopf=Putz, Kopf=Schmuck, der Putz oder Schmuck des Kopfes, in der höhern Schreib=Art der Haupt=Schmuck. Auch als ein Collectivum, alles was zum Putze des Kopfes gehört. Der Kopf=Putz des Frauenzimmers, oder die von dünnem zarten Zeuge, Flore, Papiere, Spitzen und Bändern auf verschiedene Art verfertigte Bekleidung des Hauptes, wird besonders Kopf=Zeug, Fr. Coëffure, oder Coiffure, genannt.
Krünitz, Band 44, Seite 71
Nun wird zunächst etwas ausgeholt – das Thema ist die Haarfarbe:
Der Kopf=Putz des schönen Geschlechtes war von jeher unzähligen Revolutionen unterworfen, und für einen philosophischen Beobachter der Menschen=Sitten ist es interessant, zu bemerken, wie je höher eine Nation in der Cultur und Verfeinerung ihrer Sitten und Gebräuche stieg, je zusammengesetzter und unnatürlicher auch der weibliche Kopf=Putz ward. Welch eine ungeheure Reihe von Moden in Farbe und Formen hat nicht allein das Haar der Damen, von der schönen Aspasia in Athen an, bis auf unsern Tag, gehabt! Die alten Deutschen z. B. liebten röthliche oder gelbe Haare vorzüglich, und unsere kokette Ur=Urältermütter, die unglücklicher Weise mit kastanienbraunem Haar von der Natur gestraft waren, brauchten eine gewisse Seife, es zu bleichen, welche die üppige Römerinnen häufig auch Rom kommen liessen, um sich gleiches Haar damit zu machen, weil bernsteingelbes Haar durchaus in Rom Mode war. Nero war nähmlich in die gelben agtsteinfarbenen Haare der schönen Poppea sterblich verliebt. Er besang diese Haare in elenden Versen und auf der Zither; er kämmte sie mit goldenen Kämmen, zählte sie, und gab jedem Härchen seinen eigenen Nahmen. Die ausgefallenen ließ er in Gold mit Edelsteinen fassen, und weihete sie der Juno. Nun waren agtsteinfarbene Haare in Rom herrschende Mode; jede galante Römerinn wollte solche haben; und so mußte so gar das deutsche blonde Haar häufig, als ein guter Modewaren=Artikel, nach Rom wandern, um die Köpfe sowohl der Weiber, als auch der Männer, zu schmücken. So hoch im Werthe war also vormahls das gelbe und röthliche Haar unserer schönen Landsmänninnen, dessen sich seitdem so manches deutsche Mädchen geschämt, und dabey nach braunen Locken geseufzt hat! Doch wer weiß, ob nicht das große Rad der Mode bald wieder auf eben diesen Fleck zu stehen kommt! Wir brauchen ja schon wieder blonden und gelben Puder.
Krünitz, Band 44, Seite 72
Nach der Haarfarbe widmet sich Krünitz dann der Form und Bedeckung der Frisur:
So veränderlich der Geschmack in der Farbe der Haare ist, so ist er es in der Form und in der Bedeckung derselben. Selbst bey den Griechen und Römern wechselten die Moden der Coiffüren so schnell, als bey uns. Ovidius versichert, bey Gelegenheit eines Cours de Toilette für die römischen Damen, daß die Moden der römischen Damen=Frisuren schlechterdings unübersehbar wären. „So wenig”, sagt er: „man die Eicheln im Walde, die Bienen auf dem Hybla, und das Wild auf den Alpen zählen kann: so wenig bin ich im Stande, auch alle jetzt im Schwange gehende Frisuren zu nennen. Jeder Tag gebiert eine neue, und sie sind so verschieden, als der Geschmack und Eigensinn unserer Schönen. Der einen gefällt diese, der andern eine andere. Was der Blondine gut steht, steht der Brunette schlecht. Laodamia, die ein langes schmahles Gesicht hat, trägt ihr Haar auf der Scheitel platt, und bloß an beyden Seiten frisiert; Corinna reitzt mit ihren langen Locken, die ihr auf den weißen Busen herab wallen; und nicht minder gefällt jenes schalkhafte Mädchen, das sich ihr schönes braunes Haar, wie Diana auf der Jagd, mit einem Bande hinauf knüpft, oder leicht in einen Knoten schlägt.” Hieraus erhellt offenbar, wie kokett die römischen Damen mit ihrem Haare waren, und wie sehr sie ihre Coiffüren raffinirten. Des Marcus Aurelius Gemahlinn trug, während den 19 Jahren seiner Regierung, 300 neue wesentlich verschiedene Moden von Kopf=Putz, davon jede ihren eigenen Ursprung hatte. Diese Mode=Dame hatte also alle Jahr 16 neue Coiffüren, und trug keine einen vollen Monath. Man findet noch viele dieser Coiffüren auf alten Sculpturen, Mahlereyen, Münzen und Gemmen, worunter viele gewiß sehr schön und geschmackvoll sind; auch ist manche Form davon schon von unsern Damen benutzt und nachgeahmt worden. Die Franzosen behaupten zwar ziemlich zuversichtlich, daß den Frisuren der Alten, so mannichfaltig sie auch in ihrer Form waren, doch die unnennbare Grazie des Frischen und Markigen (de ce frais & de ce moëlleux,) welches eigentlich in dem Kopf=Putze unserer heutigen Damen unwiederstehlich bezaubere, gänzlich gefehlt habe. Doch, was behauptet ein französischer Perruquier nicht, der die Locke in den Ocean taucht.
…
Von jener Zeit an ist kein Theil des menschl. Körpers, in Ansehung seiner Verzierungen mit größerer Ansträngung des Witzes behandelt worden, als der Kopf. Ihn hielt die Römerinn für dasjenige Körper=Stück, welches die stärkste Koketterie befördern könnte. Ein zierlicher Wuchs kann reitzen; eine treffende Miene kann bezaubern; ein schöner Mund kann Eroberungen stiften; schwarz funkelnde oder sanfte blaue Augen sind voll Eindruck; Gesichtsfarbe, wo sich Lilien mit Rosen mischen; Hände, die, dem Schnee ähnlich, nur durch ihr fleischiges Wesen noch vorzüglicher werden; Füße, nett im Wuchse, fertig in der Wendung; lauter Eigenschaften, deren wegen wir dem Frauenzimmer um so mehrere Grade der Schätzbarkeit zugestehen, je mehrere körperliche Vorzüge sich vergesellschaften! Doch nur der Kopf=Putz ist in die Augen fallend, daß die meisten wesentlichen Frauenzimmer=Vorzüge sich auch jetzt noch, wie damahls, dahinter verstecken. Jede Dame wählte sich daher denjenigen Haar=Aufsatz, welchen sie für den reitzendsten und für den angemessensten zu ihrer übrigen Bildung hielt. In der Kunst, die Haare zusammen zu fassen, und sie vor dem Abfallen in das Gesicht zurück zu halten, wurde der Witz immer schöpferischer. Erst simple Verbindung, immer künstlichere folgte nachher, bis wiederhohlte Versuche gewisser Krümmungen inne wurden, zu welchen man die Locke gewöhnen könnte, ohne den Haaren Gewalt anzuthun.
Die ersten Unterstützungen der Locken konnten weder Pappen=Deckel, noch Filz, seyn. Wahrscheinlich waren diese beyde Producte damahls noch unbekannt. Ein starkes Gewebe von Seide mußte zur Grundlage des Gebäudes dienen, welches immer mächtiger empor stieg, und seinen einzigen Halt in dieser seidenen Binde fand, und Tutulus oder Lampadion genannt wurde. Ob die Auszierungen solcher Locken aus kleinen Seiden=Flocken, wie zu vermuthen ist, oder aus Perlen, Gold, Silber, wie es auch oft geschehen seyn mag, oder aus aufgesteckten Blumen bestanden habe, werden ich und mehrere Alterthums=Forscher nicht entscheiden.
Da das schöne Geschlecht sich zu allen Zeiten Beyfall zu erwerben gesucht, solchen auch durch immer schönere Darstellung zu erhalten gewußt hat, so ist es eben keine unerwartete Hypothese, wenn man behauptet, daß fast alle neuere Moden, welche sich auf die verschiedene Bau=Art der Frauenzimmer=Haare beziehen, schon in den ältesten Zeiten für eben das Mittel, sich dem andern Geschlechte gefälliger machen zu wollen, geachtet worden seyn. Man hat doch immer das Haar für die schönste äusserliche Zierde eines Frauenzimmer=Kopfes gehalten; und wer wird sich noch wundern, wenn auch in unsern armseligen Zeiten die Schönen alles hervor suchen, wodurch ihre zudringliche Reitze nur irgend sichbar werden!
Krünitz, Band 44, Seite 73-74
Nun geht es in die – aus Krünitz‘ Sicht – jüngere Vergangenheit:
Die Zeit von 1740 bis 1770, hat fast den wohlanständigsten und gefälligsten Haar=Putz gehabt; zu den Seiten gelockt, vorn eine sanft sich erhebende aufgestrichene Vergette, hinten der Kopf mit Kanten=Flügeln, herab hängend oder aufgesteckt, geziert. Noch erhielt sich dieser natürliche und doch kostbare Schmuck, mit einer geringen, fast immer modesten, Abänderung, bis fast 1774; ein Par schief liegende Locken zu den Seiten, ein nicht zu hohes Toupet von eigenem Haar, und auf dem Kopfe noch wohl eine kleine Haube; zum Theil auch von mancherley Bande und seidenem Geflechte umwunden.
Von dieser Zeit an, kamen nun die Federn auf, die Haare thürmten sich auf, wurden durch Unterlagen von falschen Haaren, Wülsten und Bündel, in die Höhe, Breite und Tiefe ausgebauet, mit Schwänzen, Locken und Puffen, mit großen Aufsätzen und Federn so aufgestutzt, daß sie endlich das schreckliche Gerüst ausmachten, welches man auf den Köfen des Frauenzimmers erblickte.
Seitdem folgt sich der Wechsel der Moden so rasch, daß die Existenz der meisten fast nur ephemerisch ist. Indessen gereicht es den Einwohnern Frankreichs zum Ruhm, als allgemeine Schieds=Richter des guten Geschmackes in der Kleidung und im Putz in ganz Europa anerkannt zu seyn. Schon Colbert sagte, daß der Luxus und die Moden für Frankreich das wären, was die Gold=Adern von Peru für Spanien sind.
Krünitz, Band 44, Seite 92-93
Auf den folgenden Seiten stellt Krünitz dann die vielen verschiedenen Kopf-Putze, Haartrachten usw. der Mode vor. Das würde hier den Rahmen sprengen; vielleicht komme ich in einem weiteren Beitrag einmal darauf zurück!