Putzmacherei und Putzmacherin

Putzmacherin – ein einträglicher Beruf!

Die deutsche Frauenrechtlerin Dr. Käthe Schirmacher wurde am 6. August 1865 in Danzig geboren und starb am 18. November 1930 in Meran. In den 1890er Jahren zählte Schirmacher zu den führenden Persönlichkeiten des linken Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung. Das änderte sich allerdings Anfang des Jahrhunderts: „Ab etwa 1904 wandte sich Schirmacher zusehends einem ‚völkischen‘, antidemokratischen und antisemitischen politischen Kontext zu“, entnehme ich einer Website der Uni Wien. Dort finden sich auch viele weitere interessante Informationen, die Seite schirmacherproject sei hier besonders empfohlen.

Porträt von Dr. Käthe Schirmacher 1902
Porträt von Dr. Käthe Schirmacher 1902

Aufgefallen war mir ein Vortrag, den Käthe Schirmacher am 31.01.1896 in Köln gehalten hat. Er trägt die Überschrift: „Die Bedeutung der Frauenfrage für das Familienleben.“ Darin fand ich das folgende Zitat:

Das Mädchen und die Frau des Mittelstandes haben auch noch in anderer Hinsicht etwas vor den Frauen der höheren Gesellschaftsklassen voraus: Sie sind nämlich in der Berufswahl freier. –

Sie können, ohne sich etwas zu vergeben, auch andere Erwerbszweige wählen, als wie die – bereits so überfüllten und oft so unbefriedigenden der Lehrerin, Erzieherin, Gesellschafterin und Kindergärtnerin. –
Sie können ruhig und ohne Anstoss Ladenmädchen, Verkäuferin und Kassiererin werden, Empfangsdamen und Retoucheuse, vor allem aber können sie die beiden einträglichsten, weiblichen Berufe, den der Schneiderin und Putzmacherin, ergreifen. Sie können in den Geschäften ihrer männlichen Angehörigen eine Stellung ausfüllen, können sogar eine bedeutende Rolle darin spielen und sich endlich selbständig machen. – Das alles sind grosse Vorzüge, die die Frau des deutschen Mittelstandes geniesst.

Vortrag von Käthe Schirmacher, Köln, 31.01.1896

Demnach gehörte die Putzmacherin – zumindest aus Sicht von Käthe Schirmacher – zu den einträglichsten weiblichen Berufen! Man denkt dabei sofort an die auf gehobenem Niveau selbständig arbeitenden Putzmacherinnen, der Zuordnung „Mittelstand“ entsprechend. Möglicher Weise galt diese Einschätzung aber sogar schichtübergreifend, und auch die einfachen Putzarbeiterinnen aus der Arbeiterschaft verdienten mehr als ihre Arbeitsgenossinnen in anderen Beschäftigungen.

Dazu habe ich bei Pauline Zell-Thum in ihrem „Handbuch der Putzmacherei“ die folgende Aussage gefunden:

„Wie wir eingangs bereits gesagt haben, ist die Putzmacherei eine recht lohnende Thätigkeit, jedoch beileibe nicht für jedermann! (…) Als Beruf ist de Putzmacherei jeder anderen werkthätigen Beschäftigung vorzuziehen, wenn sie in leitender Stellung oder in Selbständigkeit ausgeübt werden kann. Eine Putzarbeiterin verdient nicht mehr als eine Schneidereizuarbeiterin; dagegen wird eine Direktrice, deren Leistungen befriedigende sind, überall verhältnismäßig gut bezahlt …“

Pauline Zell-Thum, Illustriertes Handbuch der Putzmacherei (1903), S. 121

Dies bestätigt die Einschätzung von Käthe Schirmacher, und auch in anderen Ratgebern zur Berufswahl junger Mädchen finden sich ähnliche Aussagen.

Im hier zitierten Vortrag zur Frauenfrage skizziert Schirrmacher verschiedene Lebensumstände von Frauen unterschiedlicher Schichten. Sie beschreibt, wie wichtig Bildung grundsätzlich ist, und wie notwendig, auch als Frau einen Beruf zu lernen. Da ist die (groß-)bürgerliche Frau, die nach dem Tode ihres Mannes mit vielen Aufgaben konfrontiert wird, in denen sie sich nicht auskennt; die „höhere Tochter“, die dann nicht mehr versorgt ist, sondern einen Beruf ergreifen muss. Wie eben schon viele andere Frauen:

Denn der grösste Teil aller deutschen Frauen arbeitet heute und nicht erst heute, sondern schon seit Jahrhunderten um seinen Unterhalt. Die Verhältnisse liegen da etwa wie folgt: Von unserer deutschen Reichs-Bevölkerung gehören 75% dem Arbeiterstand an, 1% dem Adel-, 24% dem Bürgerstande. Nehmen wir nun an, dass das 1% adliger Frauen vor Not gesichert sei und nicht zu arbeiten braucht – was thatsächlich aber nicht der Fall ist, und nehmen wir an, dass von den 24% Bürgerfrauen 12%, d. h. die Hälfte, keine materiellen Sorgen hat, was eher zu hoch als zu niedrig gegriffen ist, so giebt das zusammen nur 13% nicht arbeitender, nicht erwerbender Frauen gegen 87% solcher, die zu erwerben und zu verdienen haben, d. h. von 100 Frauen, die Sie auf der Strasse treffen, sind nur 13 Rentner und Kapitalistinnen, dagegen 87 Unversorgte, Arbeiterinnen, Erwerbende. –

Vortrag von Käthe Schirmacher, Köln, 31.01.1896

Im Kleinbürgerstand, fährt Schirmacher fort, ist es üblich, dass auch die Frauen einen Beruf ergreifen; sie haben überdies mehr Wahlmöglichkeiten, und können – siehe oben – eben auch z.B. Putzmacherin werden. Und die Frauen der Arbeiterklasse arbeiten (sowieso) und haben Familie und Haushalt zu bewältigen – hier wäre schon sehr geholfen, wenn es eine Kinderbetreuung gäbe.

Was kann man/frau nun ganz praktisch tun? Käthe Schirmacher plädiert an ihre Zuhörerinnen und Zuhörer, sich für die Frauen zu engagieren, und ganz konkret, sich für die Gründung von Kinderhorten, von Haushalts- und von Fachschulen einzusetzen. Sie schließt:

„Wenn jemand Sie fragt, was die Frauenbewegung will, antworten Sie: die Frauen tüchtiger machen. Wer wollte dann wohl etwas dagegen haben?“

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