Putzmacherei und Putzmacherin Textiles

Artificial Flower Makers – Herstellung von Kunstblumen

Artificial Flower Makers. By Mary van Kleeck, Secretary Committtee on Women’s Work, Russell Sage Foundation. New York, Survey Associates, Inc., MXMXIII (1913)

Mary van Kleeck habe ich schon mit ihrem Buch, ihrer Studie über die Putzmacherei in New York (1917) vorgestellt („A Seasonal Industry: A study of the Millinery Trade in New York“). Bereits 1913 erschien eine andere Studie von ihr, ebenfalls im Auftrag der Russell Sage Foundation: „Artificial Flower Makers“, also Kuntsblumenhersteller. (Van Kleeck, Mary: Artificial Flower Makers. Survey Associates, Inc., New York 1918). Dabei ging es ihr darum, aus erster Hand Informationen von Arbeitnehmerinnen, aber auch von Arbeitgebern zu erhalten. „Attention was focused purposely not on trade properity, value of product, or profit for investors, but on the wellbeing of the girls employed, in so far as it could be measured in wages, hours of labor, regularity of employment opportunity to acquire skill chance tto advance, and the conditions of living made possible by the earnings received.“ (Preface, V-VI). Es ging um das Wohlergehen der jungen Frauen, und interessant dabei ist, dass sie explizit auch die Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten benennt.

Die Studie selbst führt sie mit Hilfe von „Record Cards“ durch, die im Anhang des Buches abgedruckt sind:

  • Worker’s Record (Persönliche Situation der Befragten, eigene Einschätzung)
  • Worker’s Report of Artificial Flower Factory (Bericht der Beschäftigten über ihren Arbeitgeber / die Kunstblumenfabrik)
  • Investigator’s Report of Artificial Flower Factory (Bericht der Berichterstatterin über den Arbeitgeber / die Kunstblumenfabrik)
  • Record of Family of Home Workers (Familienverhältnisse)

Die Musterseiten habe ich hier eingefügt (jeweils mit den Rückseiten).

Worker’s Record (Persönliche Situation der Befragten, eigene Einschätzung) Quelle: Van Kleeck, 1918, S. 228-229
Worker’s Report of Artificial Flower Factory (Bericht der Beschäftigten über ihren Arbeitgeber / die Kunstblumenfabrik) Quelle: Van Kleeck, 1918, S. 230-231
Investigator’s Report of Artificial Flower Factory (Bericht der Berichterstatterin über den Arbeitgeber / die Kunstblumenfabrik) Quelle: Van Kleeck, 1918, S. 232-233
Record of Family of Home Workers (Erfassung der Familienverhältnisse) Quelle: Van Kleeck, 1918, S. 234-235

Es ist beeindruckend, wie genau sie hier die unterschiedlichen Aspekte (Eigenwahrnehmung – Fremdwahrnehmung) trennt und aufbereitet.

Van Kleeck erläutert im Vorwort, dass im Untersuchungszeitraum (1910-1913) in New York 3/4 aller Kunstblumen der USA hergestellt wurden. Daher seien die Ergebnisse zwar lokal erhoben, aber – angesichts der Vorbildfunktion der New-Yorker Verhältnisse für die gesamte USA – verallgemeinerbar. Die Herstellung von Kunstblumen hängt völlig von der Mode, insbesondere der Hutmode ab („millinery trade“). Das bedeutete, dass zu einen je nach Mode viele, wenige oder gar keine Kunstblumen gebraucht wurden – mit den entsprechenden Folgen für die Beschäftigungsdauer Arbeiterinnen. Darin gründet sich eines der Grundübel, nämlich der nur saisonalen Beschäftigung, die sich abwechselt mtit Zeiten von Arbeitslosigkeit. Zum anderen war der Zeitdruck in der eigentlichen Saison sehr hoch, da die Putzmacherinnen dann in kurzer Zeit alle benötigten Materialien – eben auch die Kunstblumen – für die Herstellung der Hüte benötgten. Entsprechend anstrengend und überfordernd war daher die „Saison“, in der kurzfristig alle Kräfte mobilisiert werden mussten. Diese Spitzen wurden dann über die Vergabe von Heimarbeit aufgefangen – die allerdings sehr viel schlechter bezahlt wurde.

Neben den Kunstblumen sind es oft Federn, die als Hutschmuck dienen. Entsprechend wichtig ist die Federproduktion, in der natürliche Federn aufbereitet, aber auch „künstliche“ Federn kreiert wurden. Beide Gewerke erforderten je unterschiedliche Fähigkeiten, und nur wenige Arbeiterinnen beherrschten beide Herstellungsmethoden.

Leider können hier nicht die Ergebnisse der Studie van Kleeck’s im Detail vorgestellt werden. Indes soll das Inhaltsverzeichnis für weitere Recherche genannt werden:

I. The Artificial Flower Trade
II. Workers in the Shops
III. The Seasons and Unemployment
IV. Wages and Home Responsibilities
V. A Group of Home Workers
VI. The Flower Trade and the Law
VII. The Artificial Flower Trade in Paris
VIII. The Training of Flower Makers
IX. Summary

Besonders aufschlussreich ist der Vergleich der amerikanischen Kunstblumenproduktion mit der französischen. Sie galt als absolutes Vorbild; der Import von Kunstblumen in die USA betrug lt. Handelsstatistik für das Jahr 1905 insgesamt 2.369.015 $, bei einer Inlandsproduktion im Wert von 5.246.822 $. Knapp ein Drittel aller Kunstblumen wurde eingeführt.

Van Kleeck veranlasste eine kleine Studie über die französischen Verhältnisse, die von Elizabeth Shepley Sergeant im Mai und Juni 1910 durchgeführt wurde (Mary van Kleeck, Artificial Flower Makers, S. 148 ff.). Insbesondere ging es um die unterschiedlichen Qualitäten der Produktion sowie um die Bildungschancen der Arbeiterinnen. Insgesamt scheinen die Verhältnisse in Paris weniger prekär gewesen zu sein als in New York. Außerdem war das Handwerk in Paris traditionell verankert; es gab eine Handwerkstradition, man bzw. frau war stolz auf das Produkt. Hier noch ein Zitat dazu:

„“The Parisian succeeds“, said one of the French employers interviewed, „because of her exquisite taste. Taste is the most impotant requisite fo success. Good taste and patience and love of the trade – tose are the Parisian tradition.“ These words are a summary and an explanation of the difference between flower making in New York and Paris. Unquestionable the French excel us in the making of a flower and in love of artistic work in this industry. Nowhere is this difference seen more clearly than in the methods of teaching learners. It is upon this traning of each new generation of workers that the prosperity of the trade in New York or in Paris must depend.“

Mary van Kleeck, Artificial Flower Makers. Survey Associates, Inc., New York 1918, Seite 189-190

In ihrer Zusammenfassung greift van Kleeck die großen Themen noch einmal auf. Als eines der Grundprobleme identifiziert sie den Mangel an „Workmanship“, die es zu heben gelte. Die Qualität der handwerklichen Tätigkeit kann nicht durch eine industrielle Produktion erreicht werden. Daher gilt es, die Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen so zu verbessern, dass eine nicht prekärere Lebenssituation dauerhaqft gewährleistet wird. Durch die nur saisonale Beschäftigung kann sich keine dauerhafte und besser qualifizierte Arbeiter(innen)schaft entwickeln; es wird auf die jeweils am schnellsten verfügbare und billigste Arbeitskraft zurückgegriffen, i.d.R. junge Mädchen, oft aus Immigrantenfamilien. Als besonderes Problem benennt Mary van Kleeck die Vergabe von einfachsten Tätigkeiten an Heimarbeiterinnen, die aufgrund ihrer prekären Situation oft sehr schlecht bezahlte Arbeiten annehmen. Angestellte Arbeiterinnen waren dagegen immer teurer und konnten nur schlecht für höhere Löhne kämpfen. Als Ausweg – den van Kleeck durchaus sah – nannte sie eine verstärkte gesetzliche Regulierung der Arbeitsbedingungen, beginnend mit einem weitreichenderen Verbot von Kinderarbeit bis hin zu einer Diskussion über Mindestlöhne.

„A trade like artificial flower making, the product of which is a luxury and not a necessity, is one in which such legislative experiments may well be tried, especially when the facts show so convncingly that the welfare of workers and the future properity of the industry are bound together. With so much of the trade centered in New York, it is within the power of the state legislature to take action which should determine the future destiny of the whole industry in this country.“

Mary van Kleeck, Artificial Flower Makers. Survey Associates, Inc., New York 1918, Seite 223-224.

Die folgenden Fotografien sind dem Buch von van Kleeck entnommen; sie stammen von Lewis W. (Wickes) Hine, der insbesondere durch seine sozialkritischen Aufnahmen zur Kinderarbeit bekannt wurde.

© Copyright Anno Stockem 2020

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