Textiles

Fachschulen für Textilindustrie – historisch gesehen

Ein „Textil-Cursus-Buch“ aus der Mitte des 19. JH findet sich seit kurzem in meiner Sammlung. Daher beschäftigte mich die Frage, ab wann es überhaupt Textil-Fachschulen, Webschulen usw. in Deutschland gegeben hat. Wo fanden solche Kurse statt? Als zeitgenössische Quelle habe ich die folgende Veröffentlichung über das Deutsche Fachschulwesen gefunden:
„Die Fachschulen für Textilindustrie Deutschlands. (Web-, Spinnerei-, Wirkschulen u.a.) Zusammenstellung der Lehrziele, Aufnahmebestimmungen, Unterrichtskosten usw.“ Reihe: Deutschlands Fachschulwesen II. Buchhandlung der litterarischen Monatsberichte, dritte vermehrte Auflage, Steglitz-Berlin 1904„.

Bei einer weiteren Ausgabe aus dem Jahr 1910 mit erweitertem und verändertem Titel wird auch der Herausgeber der Reihe erwähnt, Carl Malcomes. Malcomes war ein schwäbischer Verleger und gründete 1895 ein Gross-Sortiment und Kommissionsgeschäft in Stuttgart.

Bei der Zusammenstellung der Informationen wurde versucht, sie in einem „Raster“ zu gliedern; fast alle Schulen hielten sich daran, nur wenige lieferten offensichtlich einen eigenen ungegliederten Text. Folgende Rubriken sind zu erkennen:

  • Lehrziele
  • Organisation
  • Aufnahmebedingungen
  • Unterrichtsgeld
  • Prüfungen und Zeugnisse
  • Beginn der Kurse und Ferien
  • Lebensverhältnisse und Gesamtkosten

Konkret genannt werden die folgenden Einrichtungen, bei denen ich – soweit gut erkennbar – die Zielgruppe bzw. die Lehrziele zitiere. Die beiden mir zur Verfügung stehenden Quellen vermerke ich hinter dem Ortsnamen; es fällt auf, wie viele neue Einträge es bereits nach 6 Jahren (1910) gegeben hat. Dabei sind die Einträge selbst oft deutlich kürzer (siehe Beispiel).

Fachschulen für Textilindustrie 1904 / 1910

  • Aachen (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie in Aachen, bestehend aus den Abteilungen für Spinnerei, Weberei, Färberei, Appretur und Stopferei
    „Jede Abteilung ist eine in sich abgeschlossene Schule… Der praktische Unterricht wird in dem mit der Schule verbundenen, regelmässig arbeitenden und mit den neuesten Maschinen ausgestatteten Fabrikbetrieb (ca. 50 Arbeiter) erteilt.“
  • Aachen (1910): Aachener Privat-Webschule
    „Fabrikantenkurse, Dessinateurkurse, sowie Spezialkurse für Bindungslehre und Musterausnehmen.“
  • Augsburg (1910): Städtische Webschule zu Augsburg
    „Ausbildung geschulter Weber und Meister durch gründliche theoretische Fachbildung und Ergänzung der praktischen Fertigkeiten.“
  • Barmen (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie
    „Die Schule bezweckt die Vorbildung von Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Ein- und Verkäufern, Musterzeichnern, Kaufleuten, Fabrikbeamten, wie Meister, Direktricen, Lageristen, Wiegkammergehülfen und ähnliche Angestellte. Bei dem Unterrichte wird vorwiegend die Wuppertaler Textilindustrie berücksichtigt…“
  • Berlin (1904): Städtische Höhere Webschule mit Abteilungen für Weberei, Musterzeichnen, Konfektion, Posamentiererei, Stickerei, Wirkerei und Färberei
  • Bramsche / Osnabrück (1904): Preußische Webelehranstalt in Bramsche (b. Osnabrück)
    „Die Anstalt bezweckt die Vorbildung on Meistern und Beamten für Webereien, fachliche Ausbildung von kaufmännischen Angestellten, praktische Vorbildung von Lehrlingen.“
  • Buchholz (1904): Posamentierschule in Buchholz (Erzgebirge)
    „Die Schule steht unter Aufsicht und Leitung des Posamentierschulausschusses. … Die Unterhaltung der Lehranstalt geschieht durch Zuwendungen des Staates, der Stadt Buchholz und durch freiwillige Beiträge.“
  • Chemnitz (1904): Höhere Webschule verbunden mit Werkmeister- und Musterzeichnerschule, sowie Vorschule und Lehrwerkstätte für mechanische Weberei zu Chemnitz
    „Die seit Ostern 1857 bestehende und seitdem vergrösserte Höhere Webschule stellt sich die Aufgabe, durch vielseitigen und gründlichen theoretischen Unterricht und durch praktische Übungen nach bewährter Methode sowohl Fabrikanten, Musterzeichner und Expedienten für alle Zweige der Weberei heranzubilden … als auch solchen Leuten, die sich als Einkäufer oder Verkäufer dem Manufakturfach widmen wollen, genaue Kenntnis der Fabrikation und damit die Fähigkeit richtiger Beurteilung der Gewebe zu verschaffen.“
  • Chemnitz (1910): Wirkschule zu Chemnitz
    „Gegründet 1882. Direktor: Der Vorstand des Vereins „Chemnitzer Wirkschulen“.“
  • Cottbus (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie in Cottbus (Lausitz)
    „Vorbildung von Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Dessinateuren, Ein- und Verkäufern, Werkmeistern, Textil-Maschinen-Ingenieuren und Technikern“
  • Crefeld (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie in Crefeld. Färberei- und Appretierschule.
    „Die Anstalt bezweckt. 1. denjenigen, welche sich dem speziellen Studium der Chemie widmen wollen, gründliche theoretische und praktische Ausbildung zu gewähren. 2. Chemiker, Färber, Zeugdrucker, Bleicher und Appreteure in allgemeiner und technischer Chemie zu unterrichten …“
  • Crefeld (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie in Crefeld. (Webeschule).
    „In der Anstalt werden Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Musterzeichner, Einkäufer und Verkäufer vorgebildet. Ebenso wird die Hand- und Maschinen-Stickerei, Weiss- und Kravattennäherei gelehrt. Beim Unterricht wird vorwiegend die Seiden-, Halbseiden-, und Sammet-Industrie (Konfektions-, Schirm-, Möbelstoffe, Tücher, Decken, Bänder und sonstige Besatzartikel) berücksichtigt.“
  • Crimmitschau (1904): Web- und Appreturschule in Crimmitschau
    „Die Schule bezweckt, ihre Schüler speziell in allen Fächern der Buckskinbranche zu unterrichten und sie zu tüchtigen Werkmeistern und Fabrikanten heranzubilden.“
  • Enchenreuth (1910): K. Bayerische Stickereifachschule Enchenreuth (Oberfranken)
    „Die Anstalt will den Stickerinnen nicht nur für die am Orte augenblicklich geforderten Produkte ausbilden, sondern in Stand setzen, selbständig auch höhern Anforderungen zu genügen.“
  • Eupen (1904): Preussische Weberei-Lehrwerkstätte in Eupen
    „… Es werden Lehrlinge, Arbeiter, Meister und Kaufleute für Fabriken der Textilindustrie vorgebildet.“
  • Falkenstein (1910): Stickereifachschule in Falkenstein i.V.
    „Die Schule wird voraussichtlich Ostern 1911 eröffnet werden.“
  • Forst (1904): Preussische Höhere Fachschule für Textilindustrie in Forst (Lausitz)
    „Die Schule bildet … Werkmeister für die Wollen- und Halbwollenindustrie vor…“
  • Glochau (1904): Höhere Webschule Glochau (Kgr. Sachsen). Früher nur Abendschule, vom April 1904 auch Tagesabteilung.
    „Inmitten des bedeutendsten Textilindustriegebietes des Deutschen Reiches gelegen, unter staatlicher Aufsicht stehend, bezweckt die Schule, durch gründlichen theoretischen und praktischen Unterricht jungen Leuten, die sich dem Webfache zu widmen gedenken und sich als Fabrikanten, Direktoren, Disponenten, Werkmeister und sonstige Webereibeflissene, wie auch als Musterzeichner ausbilden wollen, die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln.“
  • Greiz (1904): Webschule zu Greiz i.V.
    „Die im Jahre 1879 gegründete und im Jahre 1904 neu organisierte und mit Lehrmitteln aufs Reichhaltigste ausgestattete Webschule bezweckt durch theoretischen und praktischen Unterricht jungen Leuten, welche sich dem Webfache widmen und als Fabrikanten, Direktoren, Disponenten, Werkmeister und sonstige Webereibeflissene ausbilden wollen, die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, …“
  • Gross-Schönau (1904): Oberlausitzer Webschule. Höhere Fachschule für die Leinen-, Damast- und Baumwollweberei zu Gross-Schönau i. Sachsen.
    „Die im Jahre 1866 gegründete Anstalt gewährt gründlchen Unterricht in der theoretischen und praktischen Hand- und mechanischen Weberei, im Musterzeichnen und Patronieren, sowie in kaufmännischen Fächern.“
  • Heidenheim (1904) (Nicht mehr 1910): Höhere Webschule zu Heidenheim (Württemberg)
    „Die Anstalt wurde im Jahre 1860 gegründet und zuletzt 1901 wesentlich vergrößert. Sie bietet gründliche theoretische und praktische Ausbildung in der gesamten Weberei, Dessinieren, Maschinenzeichnen etc. Die neuen Kurse, für Kaufleute, Fabrikanten, Weberei-Techniker und Dessinateure beginnen Anfang April.“
  • Hohenstein-Ernstthal (1904): Webschule Hohenstein-Ernstthal unter städtischer Verwaltung und Staatsaufsicht.
    „Die Anstalt bezweckt, Weber-, Musterzeichner- und Kaufmannslehrlingen die theoretische und praktische Vorbildung zu geben, welche die gesamte Weberei, unter haptsächlicher Berücksichtigung der örtlichen Industrie, bedingt.“
  • Katscher (1910): Preussische Webereilehrwerkstätte in Katscher (Ober-Schlesien)
    „Die Anstalt dient hauptsächlich örtlichen Interessen.“
  • Lambrecht (1904): Höhere Webschule (Spezialschule für dei Wollen- und Halbwollen-Industrie) zu Lambrecht (Rheinpfalz)
    „Die Schule wurde im Jahre 1850 gegründet und ist jetzt in einem mit den modernsten Maschinen und Lehrmitteln ausgestatteten Neubau untergebracht.“
  • Langenbielau (1904): Preußische Fachschule für Textilindustrie verbunden mit Färbereiabteilung in Langebbielau (Schlesien)
    „Die Anstalt bezweckt die Ausbildung von Werkmeistern für die Baumwoll- und Leinen-Industrie.“
  • Lauterbach (1904): Grossherz. Webschule in Lauterbach (Hessen).
    „Die Anstalt bezweckt die Ausbildung tüchtiger Berufsweber und Werkmeister für die Hand- und mechanische Weberei mit besonderer Berücksichtigung der Leinen und Baumwollbranche.“
  • Leipzig (1904) (Nicht mehr 1910): Spinnerschule der Bauwollspinnerei zu Leipzig (Lind.)
    „Die Schule bezweckt die berufliche Ausbildung der Lehrlinge der Fabrik“
  • Leipzig (1910): Leipziger Webschule
    „Unternehmer: Verein zur Unterhaltung und Förderung einer Webschule.“
  • Limbach (1904): Wirkschule in Limbach b. Chemnitz i. Sachsen
    Lehrziele: Die Schüler durch theoretischen und praktischen Unterricht für den selbständigen Betrieb eigener oder zur Leitung fremder Wirkereien auszubilden, auch den Wirkmaschinenbauern unter ihnen das erforderliche Verständnis der Wirk-maschinen und -Waren zu vermitteln.“
  • Mittelwalde (1904): Webereilehrwerkstätten in Mittelwalde (Schlesien)
    „Zweck: Wirtschaftliche Hebung und Förderung der Hausweberei.“
  • Mittweida (1910): Webschule Mittweida
    „Ausbildung für Web- und Webobermeister.“
  • Mönchen-Gladbach (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie zu Mönchen-Gladbach. Abteilungen für Spinnerei, Weberei. Färberei und Appretur.
    „Die Anstalt hat die Aufgabe, ihren Schülern eine gründliche theoretische und praktische Ausbildung in allen Zweigen der Baumwoll- und Halbwoll-Industrie zu vermitteln. In der Spinnerei-, sowie in der Weberei-Abteilung werden im Tageskursus Fabrikanten, Fabrikdirektoren und Obermeister, im Abend- und Sonntagskursus Meister vorgebildet.“
  • Mühlhausen (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie in Mühlhausen i. Th.
    „Die Schule besteht aus einem Tages- und einem Abend- und Sonntagskursus. in beiden Kursen wird in der Weberei und in der Wirkerei unterrichtet…. Im Tageskursus der Wirkereiabteilung werden Fabrikanten und Fabrikdirektoren, in allen übrigen Kursen nur Werkmeister vorgebildet.“
  • Mülhausen (1904): Theoretische und praktische mechanische Spinn- und Webschule zu Mülhausen im Els. Gegründet im Jahre 1861 unter Leitung der Industriellen Gesellschaft.
    „Die Anstalt hat den Zweck, junge Leute, welche sich der Spinnerei und Weberei zu widmen wünschen, theoretisch und praktisch auszubilden.“
  • Münchberg (1904): Kgl. höhere Webschule Münchberg (Oberfranken)
    „(1910): Gründliche theoretische und praktische Ausbildung in allen Fächern der Weberei und Maschinenkunde, des Musterzeichnens und der Warenkalkulation, ferner in der Hand- und Maschinenstickerei.“
  • Passau (1910): Kreiswebschule Passau (Bayern)
    „Die Anstalt wurde 1863 gegründet und erstrebt gute theoretische und praktische Ausbildung tüchtiger Werkmeister.“
  • Plauen (1904): Kgl. Kunstschule für Textilindustrie in Plauen i. V.
    „Die Schule bezweckt die Ausbildung tüchtiger Musterzeichner, von Zeichenlehrern für gewerbliche Lehranstalten und von Handarbeitslehrerinnen, sowie die Ausbildung von Fabrikanten im Zeichnen, Weben und Stricken, von Zeichnerlehrlingen im Zeichnen und von Frauen und Mädchen in weiblichen Handarbeiten.“
  • Reichenbach (1910): Städtische höhere Webschule zu Reichenbach i.V.
    „Die Anstalt bezweckt die Ausbildung von zukünftigen Fabrikanten, Webereitechnikern, Dessinateuren, Werkmeistern und Musterzeichnern“
  • Reutlingen (1904): Technikum für Textilindustrie in Reutlingen
    „Die Aufgabe der Schule ist es, durh gründlichen theoretischen und praktischen Unterricht tüchtige Textil-Techniker, Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Musterzeichner, Spinnmeister, Web- und Wirkmeister für die verschiedenen Zweige der Textil-Industrie auszubilden … Außerdem soll aber auch jungen Kaufleuten, welche in ihrer Branche sich mit dem Ein- und Verkauf von Rohstoffen, Garnen und Webwaren zu befassen haben, die Erwerbung einschlägiger Kenntnisse auf diesem Gebiet ermöglicht werden.“
  • Ronsdorf (1904): Preussische Bandwirkerschule zu Ronsdorf
    „Die Schule steht unter staatlicher Oberleitung und ist eine Spezialschule für die gesamte Bandbranche … In ihr werden Bandwirkermeister und Werkführer praktisch und theoretisch … ausgebildet.“
  • Schneeberg (1910): Königliche Zeichenschule für Textilindustrie und Gewerbe Schneeberg Sa.
    „Kunstgewerbliche Abteilung: Musterzeichner für die Textilindustrie auszubilden. Abteilung für Schülerinnen: Die Schülerinnen der Königl. Spitzenklöppelmusterschule zeichnerisch zu bilden, Entwerfen von Spitzenmustern und Klöppelbriefstechen; freiwillige Schülerinnen zu unterweisen im Malen nach der Natur und dem Modell und im Entwerfen häuslicher Kunstarbeiten. Abteilung für Gewerbelehrlinge: Lehrlingen des Handwerker- und Gewerbestandes die zeichnerische und theoretische Ausbildung ihres Faches zu geben.“
  • Schneeberg (1910): Königliche Spitzenklöppel-Musterschule Schneeberg Sa.
    „Ausbildung von Lehrerinnen für die Spitzenklöppelschulen und tüchtigen Arbeiterinnen für die Spitzenklöppelindustrie.“
  • Schoemberg (1910): Preussische Webereilehrwerkstätte Schoemberg i.Schl.
    „In der Anstalt werden junge Leute für den Webereiberuf vorgebildet und zwar in der Leinen- und Baumwollweberei.“
  • Seifhennersdorf (1904): Webschule zu Seifhennersdorf i. Sa.
    Die Anstalt bezweckt die Vorbildung von Expedienten, Webmeistern, Musterzeichnern, Ein- und Verkäufern und Fabrikanten.“
  • Sindelfingen (1910): Webschule Sindelfingen der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel unterstellt
    „Die Schüler mit Theorie und Praxis der verschiedenen Webereitechniken vertraut zu machen…“
  • Sommerfeld (1904): Preussische Fachschule für Textilindustrie in Sommerfeld
    „Die Anstalt umfasst 2 Abteilungen: Eine Weberei- und eine Mustereiabteilung. In ersterer werden Werkmeister für die Wollen- und Halbwollen-Industrie vorgebildet. Die Mustereiabteilung verfolgt den Zweck, Dessinateure für die Streichgarn- und Kammgarnbranche vorzubilden.“
  • Sorau (1904): Preußische höhere Fachschule für Textilindustrie in Sorau N.L.
    „Die Schule wurde Ostern 1904 in vollem Umfang eröffnet …“
  • Spremberg-Lausitz (1904): Fachschule für Textilindustrie in Spremberg (Lausitz)
    „In der Anstalt werden Werkmeister fr die Wollen- und Halbwollen-Industrie vorgebildet.“
  • Stadlern (1910): Kgl. Spitzenklöppelschule Stadlern (Oberpfalz)
    „Ausbildung in allen Zweigen der Spitzenklöppelei“
  • Werdau (1904): Höhere Webschule Werdau
    „Die im Jahre 1865 gegründete Anstalt bezweckt ein gründliches Studium sämtlicher Fächer der Wollwaren-Fabrikation in rein systematischem Lehgange und sicht ihre Scholaren zu tüchtigen Werkmeisten, Fabrikanten und Wareneinkäufern heranzubilden.“
  • Zittau (1904): Höhere Webschule zu Zittau in Sachsen
    „Die Höhere Webschule bezweckt durch besonders gründlichen und eingehenden theoretischen und praktischen Unterricht, sowohl Fabrikanten, Fabrikdirektoren, Obermeister, Werkführer, Webmeister, wie auch Musterzeichner und Musterzeichnerinnen, und die damit im Zusammenhang stehenden Fächer heranzubilden.“

Preussische Höhere Fachschulen

Die Gründung der technischen Web- bzw. Textilschulen erfolgte in aller Regel durch Initiative von einzelnen Fabrikbesitzern, von lokalen Interessensverbände oder durch kommunale Beschlüsse. Der Staat kümmerte sich primär um die Volks- und Grundbildung. Für Sachsen schreibt Yu in ihrer Untersuchung:

Seit der Einführung allgemeiner Fortbildungsschulpflicht von 1874 waren 1899 nur 18 Schulen als Staatsanstalten und 40 als Einrichtungen der Gemeindebehördenausgewiesen. Die große Menge der Schulen entstand aus privater Initiative, d.h. 91 Schulen wurden für Schulungszwecke von Interessenvereinigungen und von Gewerbevereinen gegründet. Außerdem gab es 52 Schulen, die von anderen Interessenvereinigungen wie Innungen, Handelskammern und Fachverbänden errichtet wurden. Neben den Privatgründungen gewerblicher Schulen nahm der Anteil des Staats an der Unterhaltung von Anstalten, die von gewerblichen Vereinigungen initiiert worden waren, allmählich in erheblichem Umfang zu“

Yu, Jinyoung: Die Entwicklung berufsbildender Schulen in Preußen, Sachsen und Württemberg zwischen 1869 und 1914. Ein Vergleich der preußischen, sächsischen und württembergischen Entwicklungen im beruflichen Schulwesen bis zum Ersten Weltkrieg, unter besonderer Berücksichtigung der Metalltechnik, des Maschinenbaus und der Elektrotechnik. Peter Lang, Frankfurt 2011, S. 45

Erst im Laufe der industriellen Entwicklung wurde deutlich, wie wichtig gut ausgebildetes technisches Personal war; und die Textilindustrie gehörte zu den wichtigen Industriezweigen Deutschlands. Ein schönes Beispiel ist die Gründung der Preussischen Höhere Schule für Textilindustrie Mönchen-Gladbach:

„Der Preußische Staat kam der Forderung nach dem Ausbau der Schulen auch in Mönchengladbach nach, wo sich 1897 die Handelskammer Mönchengladbach mit den Stadtverordnetenversammlungen (Mönchengladbach, Rheydt, Odenkirchen), den Gemeindevertretungen (Gladbach Land, Wickrath, Hochneukirch), dem Regierungspräsidenten und dem Kommissar des Handelsministers einigten, eine „Höhere Fachschule“ für die Textilindustrie zu errichten. Am 8. Juni 1899 beschlossen alle Vertreter die Errichtung einer „Höheren Fachschule“ und legten die Kostenübernahme, den Ankauf von Grundstücken, die Pläne des Lehr- und Fabrikgebäudes und die Anstellung von Lehrkräften und Bautechnikern fest. Zwei Jahre später, am 15. April 1901 nahm die auf der Stadtgrenze Mönchengladbach / Rheydt gelegene Schule Ihren Betrieb auf und erhielt am 24. Mai 1901 Ihre Rechtskräftigkeit vom Preußischen König erteilt.“

Quelle: Historischer Verein Wegberg

Die begriffliche Trennschärfe im Fachschulbereich wurde noch in den 30er Jahren des 20. JH – also fast zeitgenössisch – als problematisch empfunden. W. Keiper schreibt 1930 in der Enzyklopädie der textilchemischen Technologie:

„Innerhalb des heutigen deutschen Reichsgebiets gibt es 44 öffentliche Textilschulen, wobei einige Gemeinde- und Privatschulen kleinsten Umfangs wegen ihrer geringen Bedeutung nicht eingerechnet sind. Die amtliche Benennung dieser Schulen ist nicht ganz einheitlich, im allgemeinen werden jedoch Schulen mit Kursen für Fabrikanten bzw. Fabrikleiter als „Höhere Fachschulen“, die übrigen dagegen als „Fachschule“ bezeichnet. In ihrem Lehrplane und ihrem Umfange weisen aber die Schulen innerhalb derselben Gruppe große Verschiedenheit auf.“

W. Keiper, in Heermann, P. (Hrsg.): Enzyklopädie der textilchemischen Technologie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1930, S. 773

Stickereifachschule Enchenreuth

Die in der obigen Liste genannte „K. Bayerische Stickereifachschule Enchenreuth (Oberfranken)“ verdient eine ausführlichere Würdigung, daher hier die komplette Beschreibung des Eintrags von 1910:

Leitung: Frau Professor Mia Cornelius, München und Frl. Marie Frey, München.
Lehrziele: Die Anstalt will den Stickerinnen nicht nur für die am Orte augenblicklich geforderten Produkte ausbilden, sondern in Stand setzen, selbständig auch höheren Anforderungen zu genügen.
Organisation: Frau Mia Cornelius hat im Jahre 1903 den Versuch gemacht, allen Unterricht an verkäuflicher Ware von höherer künstlerischer Qualität erteilen zu lassen und eine enge Verbindung mit der Stickereihausindustrie herzustellen. Die Schule ist daher in der Lage, den Schülerinnen Arbeitsgelder zu bezahlen.
Unterrichtsgeld: Frei (s.o. Organisation)
Semesterbeginn: Sommerkurse von Mai-September.
Lehrerinnen: Zeichnen: Frl. Marie Frey, München.- Sticken: Frl. Hilda Elffner, München; Frau Kath. Dohlus, Fr. Kath Schubert, Enchenreuth.“

Die Leiterin der Schule war Professorin, zu damaliger Zeit eine sehr ungewöhnliche Qualifikation (sofern es sich hier nicht um einen Ehrentitel handelt). Zur Art der Finanzierung und der Rolle von Mia Cornelius gibt es eine interessante Quelle aus England von 1912, in der die Schule detailliert beschrieben wird:

The Embroidery School at Enchenreuth.

The economic conditions of the district which have led to the foundation of this school may be briefly summed up as follows. Amid the green uplands and wooded valleys of Upper Franconia where agriculture offers little else to the peasantry beyond potato growing, embroidery imported from Plauen, in Saxony, has provided the essential “Nebenberuf” or subsidiary calling so imperative in such districts. In winter the snow lies deep and long, confining the inhabitants indoors, and the women work hard and skillfully at white embroidery which finds a market all over Germany and in far-off lands. The winter’s production is collected by agents of various business houses, called “Factoren”, a word applied in Scotland to land-agents and bailiffs.

In 1900 the Government decided to start trade tuition in the district in the form of summer classes, and Frau Professor Mia Cornelius, who had received her own art education in the “Kunstgewerbeschule” (Industrial Art School), in Munich, was invited to draw up a report and suggestions. These were accepted, and in 1903 she became the director and organizer of the experiment. Apart from the local industry in white embroidery, she also found that the women, in their spare moments, worked natural flowers in coloured silks on very fine white linen. From an artistic point of view this work was atrocious and not in demand by the factors. The girls, working in the fields all day, had the roughened hands of those engaged habitually in manual labour. Only fine hands, she said to herself, should attempt fine work, and only one girl here and there possesses this necessary qualification. It was to this coloured work, however, that Frau Cornelius turned for inspiration, setting about to devise some more suitable style and medium, whereby to render it both educative and marketable. She decided on coarse strong linen or woollen material and bold simple design as best suited to the character of a peasant industry.

As has been already stated, a very special point in the institution of the Bavarian State Trade Schools is that they shall in no way injure private enterprise, and by the adoption of this plan she avoided any possibility of competition with local employers. She felt also that she would be providing a good training ground for girls, who would many of them pass on later to the white embroidery work. Furthermore, she realised that should her plan succeed, as has been the case, the district would be provided with an additional trade; should it fail, the old industry would still remain undisturbed to which her pupils could return.

The school as it exists to-day consists of classes held during the summer months; in the spring all are helping in the fields to prepare the land for sowing, in the autumn all are busy potato digging. The girls are taken on leaving the elementary school and forty to fifty are trained annually. The courses are very popular, the same girls coming again and again. Many have been through three or four courses, and as many as one hundred are sometimes attending at one time. The aim of the school is to train workers not only to meet the demands of the local industry, but to enable them to undertake a higher class of independent work than is at present usually obtainable in the district. It also strives to bring its teaching into the closest relationship with peasant art and peasant home industry, and to produce saleable goods of high artistic excellence. The pupils are paid for work done. In design and colouring the work is strong, bold, and simple; the garments and household articles made are all simple and practical. The girls are taught from the start to produce marketable goods, and the school has discarded the usual „Mustertuch“ or sampler method of instruction.

The study of good foreign design is not neglected. Russian influence can be felt in some instances, and where introduced is successful. Local tradition, when good, is preserved, as in the fine “Alte Egerländer” pattern, seen on many articles. The work mostly consists of house and garden cushions, coverlets, curtains, tea and tablecloths, ladies‘ blouses, and children’s caps, bonnets, frocks, sachets &c., in great variety. The articles are ornamented with embroidery, applique, and fancy stitching. To protect its design the school has developed (?) a special trade-mark or “Ortsstempelschutz”. This consists of the initial letters of the words “Enchenreuth Haus Industrie” enclosed within a plain bordering “E H I”.

The school has exhibited successfully at the Hague, Heidelberg, Zurich, Stuttgart, Leipzig, Darmstadt, Berlin, and at the Brussels Exhibition, and large orders have often resulted. In October 1910 thirty girls had already been trained who were competent to be employed on commission work during the winter months, and to this number about ten are added yearly. The girls are very keen and are paid at the rate of 20 pf. an hour. This payment is equivalent to 2ld. of English money, and is interesting as being identical with the minimum wage lately fixed for the Cradley Heath chain makers under the Trades Boards Act, and as closely approximating to the 2\d., rising to 3’2 in 1912, recently arranged for the Nottingham machine lace finishers. The designs for this winter commission work are made, the colour scheme selected, and the work begun in Munich. It is then sent down to Enchenreuth, and from this point the girls entirely finish and make up each article. All were very busy during the winter of 1910-11, as a large number of orders were received, amongst them one from the writer for a blouse which has been most effectively embroidered.

Board of Education / Educational Pamphlet 26: Education and Peasant Industry: Some State and State-Aided Trade Schools in Germany. H.M. Stationary Office. London 1912

Offensichtlich gelang es der Schulleitung, die Ergebnisse des Unterrichts zu verkaufen und dadurch die Kosten für den Schulbetrieb zu bezahlen. Ein Modell, das in anderen textilschulen nicht funktionierte, obwohl es dort oft auch fabrikartigen Praxisunterricht gab. Die Quelle zeigt überdies, wie interessiert andere Länder die deutsche gewerblich-technische Bildung beobachteten.

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