Wenn es um Goethe und die Putzmacherei geht, kommt in der Regel die Geschichte seiner Beziehung zu Christiane Vulpius, der späteren Christiane von Goethe, zur Sprache. Goethe hatte mit Christiane eine langjährige nichteheliche Beziehung; er lernte sie schon 1788 kennen, geheiratet wurde (fünf Kinder später) allerdings erst 1806. Christiane Vulpius arbeitete – der familiären Not geschuldet – eine Zeitlang im Firmenimperium von Friedrich Justin Bertuch, der ja nicht nur ein erfolgreicher Verleger war, sondern auch eine Putz- und Feder-Manufaktur betrieb. Christiane war als Blumenmacherin beschäftigt, einem Handwerk, das bis zum Anfang des 20. Jahrhundert in der Mode große Bedeutung hatte; künstliche Blumen und Federn dienten in der Putzmacherei zum Ausstaffieren der Hüte. Das Label „Putzmacherin“ stimmt im engeren Sinne also eigentlich nicht, auch wenn der große Zusammenhang passt.

Goethe und Vulpius gehörten gesellschaftlich ganz unterschiedlichen Sphären an; und für Goethe, immerhin Staatsminister und Dichterfürst, war die Beziehung zu einem „Blumenmädchen“ nicht standesgemäß. Das scheint ihn zwar zunächst von der Heirat, nicht aber von der Beziehung selbst abgehalten zu haben.
Wenn man die weitgehend digital vorliegenden Werke Goethes durchforstet, findet man nur wenige Hinweise auf Putzmacherinnen. Seine Zurückhaltung bei diesem Thema dürfte seiner Beziehung zu Christiane geschuldet sein. Gefunden habe ich aber eine kurze Szene bei Eckermann, die mich doch sehr amüsiert hat. Die fleißigen Aufschriebe Eckermanns, die ungebrochene Huldigung an den großen Meister, wirkt aus heutiger Sicht .. nun ja, leicht befremdlich. Aber lesen Sie selbst:
Mittwoch den 17. Januar 1827.
„Frau von Goethe brachte in die Unterhaltung große Anmuth. Es war von einigen Anschaffungen die Rede, womit sie den jungen Goethe neckte, und wozu dieser sich nicht verstehen wollte.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 13-14
»Man muß den schönen Frauen nicht gar zu viel angewöhnen,« sagte Goethe, »denn sie gehen leicht ins Grenzenlose. Napoleon erhielt noch auf Elba Rechnungen von Putzmacherinnen, die er bezahlen sollte. Doch mochte er in solchen Dingen leicht zu wenig thun als zu viel. Früher in den Tuilerien wurden einst in seinem Beisein seiner Gemahlin von einem Modehändler kostbare Sachen präsentirt. Als Napoleon aber keine Miene machte, etwas zu kaufen, gab ihm der Mann zu verstehen, daß er doch wenig in dieser Hinsicht für seine Gemahlin thue. Hierauf sagte Napoleon kein Wort, aber er sah ihn mit einem solchen Blick an, daß der Mann seine Sachen sogleich zusammenpackte und sich nie wieder sehen ließ.« –
»That er dieses als Consul?« fragte Frau von Goethe. –
»Wahrscheinlich als Kaiser,« antwortete Goethe, »denn sonst wäre sein Blick wohl nicht so furchtbar gewesen. Aber ich muß über den Mann lachen, dem der Blick in die Glieder fuhr und der sich wahrscheinlich schon geköpft oder erschossen sah.« „
In diesem kurzen Stück wird – sozusagen als Aufhänger – die schlechte Zahlungsmoral angesprochen, unter der Putzmacherinnen zu leiden hatten. Das war schon im 18. Jahrhundert so; man vergleiche die aufschlussreichen Unterlagen von Rose Bertin dazu, der Putzmacherin am französischen Königshofe. Sie musste ein ausgeklügeltes Finanzmanagement betreiben, um immer lieferfähig zu sein; der Hof, genauer Marie Antoinette, zahlte so gut wie nie. Die Zahlungsmoral änderte sich offensichtlich auch im 19. Jahrhundert nicht, wenn wir bedenken, welche Summen Richard Wagner seiner Putzmacherin Bertha Goldwag schuldete. Die hier im folgenden beschriebene Szene mit einem Modehändler bezieht allerdings ihre Komik aus dem Umstand, dass Napoleon implizit vorgeworfen wird, als schlechter Ehemann knauserig gegenüber seiner Frau zu sein. Muss man sich auch erst mal trauen.
Der junge Goethe war übrigens August von Goethe, einzig überlebendes Kind der Goethes, geboren 1789 und mit 41 Jahren 1830 in Rom gestorben. Seine vier Geschwister starben bei oder kurz nach der Geburt.
Sein Verhältnis zu Napoleon beschreibt Goethe sehr schön in einem Brief an seinen Verleger Johann Friedrich von Cotta. Darin äußert er sich am 02.12.1808 wie folgt:
„Ich will gerne gestehen, dass mir in meinem Leben nichts Höheres oder Erfreulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser, und zwar auf eine solche Weise zu stehen. Ohne mich auf das Detail der Unterredung einzulassen, so kann ich sagen, dass mich noch mienals ein Höherer dergestalt aufgenommen, indem er mit besonderem Zutrauen, mich, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, gleichsam gelten liess, und nicht undeutlich ausdrückte, dass ihm mein Wesen gemäss sei.“
Brief von Johann Wolfgang Goethe an Johann Friedrich von Cotta 02.12.1808
Das ist doch fast schwärmerisch, und überraschend deswegen, weil sich Goethe ja sonst politisch immer recht geschickt, neutral und diplomatisch verhalten hat.-
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