Die Aktualität der Putzmacherei ist manchmal überraschend – wobei die Aktualität hier die der 2010er Jahre bedeutet. Aber es handelt sich bei dem hier vorgestellten Titel immerhin um „Die Putzmacherin des Pharaos“, und der damit suggerierten historische Zeitraum mag diese ungewöhnliche Zeitbestimmung entschuldigen. Es handelt sich um ein Kapitel aus Walt Disneys „Phantomias Superstar“, erschienen in den lustigen Taschenbüchern im Ehapa Verlag 2010. Alles klar?

Das Original scheint auf Italienisch erschienen zu sein, ich konnte es aber leider online nirgendwo entdecken. Als Autorin wird Manuela Capelli genannt, als Zeichner Giampaolo Soldati. Das Internet ist äußerst sparsam mit Informationen über die beiden, sodass ich mich hier nicht weiter in die sicher interessanten Biografien vertiefen kann.

In der Geschichte spielt die Putzmacherei wieder einmal eine nur untergeordnete Rolle. Sie fügt sich damit ein in die Reihe der literarischen Verarbeitungen des Topos „Putzmacherin“ aus dem 19. Jahrhundert, bei denen es auch weniger um den Beruf als vielmehr um die zugeschriebenen Charaktereigenschaften ging. Hier geht es ganz konkret um eine Episode, in der die Putzmacherein Day-Sy ihrem Onkel Da-gho aus der Patsche hilft. Sie hat einen Auftrag für den Kopfputz des Pharao erhalten, den dieser zu einem besonderen Fest tragen will, und tut das ihren vielen Freund*innen bzw. Kund*innen kund. Da-gho wiederum hat die Einladung für das Fest entworfen und soll sie nun auch in hoher Anzahl versenden. Als billige Schreiberin wirbt er Day-Sy an, die bei ihrer Eigenwerbung eine sehr schöne Handschrift gezeigt hat. Als Dank könnte sie am Fest teilnehmen. Die unter Mühen fertiggestellten Einladungen werden allerdings dann von der Pan-Zher-Gnag-Gang geklaut mit der Idee, von Da-gho damit ein Lösegeld zu erpressen. Do-n’hald (der als Papyrushersteller schon bekannt ist) und Day-Sy nehmen die Verfolgung auf, werden aber von den Pan-Zher-Gnag gefangen genommen. Als Day-Sy erzählt, dass sie dem Pharao dringend einen Hut abliefern müsse, verfallen die Entführer auf die Idee, selbst den Hut abzuliefern und dafür den erhofften hohen Lohn zu kassieren. Day-Sy produziert also den Hut, die Pan-Zher-Gnag liefern ihn beim Pharao ab und wird zu ihrer Überraschung festgenommen. Day-Sy hatte eine Botschaft im Aufputz des Hutes integriert, die die Pan-Zher-Gnag (als Analphabeten) aber nicht lesen konnte. Zum Dank macht der Pharao Day-Sy zu seiner Hoflieferantin.

Das Gute siegt, und die Putzmacherin hat sich durch verschiedene Kompetenzen ausgezeichnet. Sie macht aktiv Werbung und übernimmt auch einmal einen mühsamen Nebenjob (als Schreiberin), um an eine Einladung zu kommen. Sie kann mit nur wenig Material auch in der Gefangenschaft quasi aus dem Nichts einen bemerkenswerten Kopfputz bzw. Hut zaubern und ist dabei pfiffig genug, gleichzeitig damit einen Hilferuf abzusetzen. Last not least kann sie sich auch in neuen Gesellschaftskreisen (beim Pharao) angemessen bewegen und wird dadurch von höchster Stelle protegiert.
Insgesamt doch ein sehr positives Bild der Putzmacherin, auch wenn der Beruf schon im Erscheinungsjahr dieses lustigen Taschenbuches (2010) der Zielgruppe weitgehend unbekannt gewesen sein dürfte. Warum für die Übersetzung nicht der etwas üblichere Begriff „Modistin“ gewählt wurde – diese Frage bleibt weiterer Forschung vorbehalten.
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Literarische Bearbeitungen der Putzmacherei:
- D’Anspach, Maria: La Modiste. Paris 1841
- Balzac, Honoré de: La Modiste. Paris 1950
- Bazin, René: Aus ganzer Seele. Der Roman einer Modistin. Köln o.J.
- Castanié, François: Royales Amours d’une petite Modiste (Madame du Barry). Paris 1913
- De Genlis, Madame de: La marchande de Modes, Comédie. in: Theatre à l’usage des jeunes personnes“ von Madame de Genlis, 4. Band. Paris 1781
- Duncker, Dora: Die Modistin. Novellen und Skizzen. Berlin 1894
- Eichler, Ludwig: Berlin und die Berliner. Die Putzmacherin. Berlin 1841
- Flügge, Heinrich: Der Graf und die Putzmacherin. In: Der Humorist. August 1847
- Hansen, Frieda: Die Lehrzeit der Putzmacherin Frieda Hansen 1929-1932
- Hopkins, William B.: Milliner to a Mouse. A Capital Chat 1903
- Humphreys, Eliza: Vanity – The Confessions of a Court Modiste 1901
- Kotzebue, August von: Die hübsche kleine Putzmacherin. Berlin 1805
- Langlade, Émile: La Marchande de Modes de Marie-Antoinette, Rose Bertin. Albin Michel, Paris o.J. (1911)
- Lauwick, Hervé: L’amour et la modiste. La Renaissance du Livre. Paris 1926
- Lyser, Johann Peter: Die arme häßliche Putzmacherin. In: Der Humorist. Oktober 1847
- Rowcroft, Charles: Fanny the little Milliner or The Rich and the Poor. Smith, Elder & Co., London 1846
- Schlägel, Max: Die Putzmacherinnen. Berlin 1871
- Taffetas, Hester: Recollections of Mrs. Hester Taffetas, Court Milliner and Modiste, during the Reign of King George the third and his Consort Queen Charlotte. Edited by her Granddaughter. 1859
- Thompson, Georg: Käthchen Castleton, die schöne Putzmacherin, oder Die Schicksale eines jungen Mädchens im niederen Lebensstande, die an einem Tage zugleich Frau und Wittwe wurde. C. Holbrook, New York 1853
- Weiße, Christian Felix: Die Putzmacherin, oder: Sieg der Tugend über Vorurtheile. In: Becker, Wilhelm Gottlieb: Erholungen. Berlin 1796
- Woods, Caroline: Otis, Belle: The Diary of a Milliner. Hurd and Houghten, New York 1867
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