Fundstücke Putzmacherei und Putzmacherin

Milliner to a Mouse – ein Roman von 1903

In der „Knickerbocker Press“, New York, erschien im Jahr 1903 ein Buch mit dem etwas rätselhaften Titel: „Milliner to a Mouse. A Capital Chat. By William B. Hopkins, Washington D.C.“ Natürlich war ich interessiert – so furchtbar oft taucht die Putzmacherin, Modistin, Milliner ja nicht auf in der Literatur (andere Titel finden sich am Ende des Beitrags).

Cover "Milliner to a Mouse" von William B. Hopkins
Cover „Milliner to a Mouse“ von William B. Hopkins

Worum also geht es? Die Lektüre lässt mich etwas ratlos. Es handelt sich um ein Schlaglicht auf die sog. „bessere Gesellschaft“ um die Jahrhundertwende. In Washington treffen unterschiedliche Charaktere aufeinander – aus England und den USA, mit demokratischem bzw. republikanischen Hintergrund. Erörtert werden Fragen von Stil, von Weltläufigkeit, von Politik und Wirtschaft. Im Laufe der großzügig gedruckten 119 Seiten entspinnt sich eine Art Liebesgeschichte mit glücklichem Ausgang.

Der ungewöhnliche Titel wird nach der Hälfte des Buches erklärt. Die weibliche Hauptfigur (Imogene) wurde als Waise in einem Konvent erzogen. Ihr Onkel führt sie in die bessere Gesellschaft ein, gerät aber in Geldschwierigkeiten und bittet sie, ihre Ausgaben etwas einzuschränken. Statt dass sich wie bisher eine Putzmacherin um die Ausstaffierung der jungen Frau kümmert, will er das nun übernehmen – als „Milliner to Miss Mouse“, wie er sie – liebevoll!?! – nennt. Nicht überraschend – der Onkel wird später wieder finanziell gesunden, und besagte Nichte Imogene ihren englischen Verehrer heiraten.

Doppelseite "Milliner to a Mouse" von William B. Hopkins
Doppelseite „Milliner to a Mouse“ von William B. Hopkins. Auffallend großzügig gedruckt, in Art der englischen Pressendrucke

Ein wirklich „literarisches“ Werk ist dem Autor da kaum gelungen; inhaltlich bleibt es verworren; und als politisches Statement ist es zu unpräzise.

Zu William B. Hopkins gibt es im Internet viele ausführliche Informationen. Leider handelt es sich nicht um den hier genannten Autor, sondern einen Namensvetter, der erst 1922 – also 19 Jahre nach der Veröffentlichung – geboren wurde. Zeitlich passen würde ein Mann dieses Namens, zu dem es – erstaunlicher Weise! – einen Grabstein gibt. Demnach wurde er 1844 geboren, verstarb 1916 und liegt gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem La Grange-Friedhof in Lorain, Ohio begraben.

Das Werk ist in der „Knickerbocker Press“ erschienen. Hier werden wir fündig bei Wikipedia und dem Eintrag zu G._B._Putnam’s Sons : „In 1874, the company“ ((i.e. G. P. Putnam’s Sons)) „established its own book printing and manufacturing office, set up by John Putnam and operating initially out of newly leased premises at 182 Fifdth Avenue. This printing side of the business later became a separate division called the Knickerbocker Press, and was relocated in 1889 to the „Knickerbocker Press Building, built specifically for the press in New Rochelle, New York.“ Als „Knickerbocker“ bezeichnete man offensichtlich die „Ureinwohner“ von New York, in Anlehnung an die Kleidung der frühen niederländischen Siedler (siehe Eintrag „Knickerbocker Building“ in Wikipedia).

Übrigens findet sich vorne im Buch eine Widmung: „Hon John H. Mitchell Compliments“, darunter der Stempel „Red Dragon – Trade Mark Registered Seltzer Co.“. Mitchell war republikanischer Senator, er starb 1905. Offensichtlich ebenfalls ein Mitglied der höheren Gesellschaft, der politischen Klasse jener Zeit….

Zusammenfassend bleibt – nicht viel, außer einem hübschen Titel und der Erkenntnis, dass es sich im Jahr 1903 noch finanziell lohnte, die Ausgaben für die Putzmacherin selbst zu übernehmen, um das Budget deutlich zu entlasten. Wie heißt es doch in der „Allgemeinen Moden-Zeitung“ (JG 1820, Nr. 51, S 420):
„Väter und Ehemänner klagen oft und vielleicht nicht mit Unrecht darüber, daß die Moden so schnell wechseln und daß sie in Ausgaben verwickelt werden, die ihre Kräfte übersteigen, aber sind hieran die Moden schuld?“

Mehr ist dazu nicht zu sagen.

© Copyright Anno Stockem 2021

Literarische Bearbeitungen der Putzmacherei:

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